Glaube im Alltag

Es liegt alles so nah beieinander: Zujubeln, begeistert sein und kurz danach verhöhnen und verachten. Mitgehen und fast gleichzeitig davonlaufen.

Das Leben feiern und am Leben leiden. Das Lieben und nicht weit davon das Hassen. Wir kennen es wohl alle aus den verschiedensten Zusammenhängen: Es ist das Widersprüchliche im Leben! Und ganz frisch und schmerzhaft in unseren Herzen: Ein Pilot, der sich begeistert für das Fliegen und der dann, so mein Kenntnisstand vom Donnerstag, absichtlich unfassbares Leid über so viele Menschen bringt. Was für eine Katastrophe und ein unsäglicher und nicht aufzulösender Widerspruch! Ein weiterer Widerspruch: Der Palmsonntag ist so ein widersprüchlicher Tag für Jesus. Gefeiert, umjubelt nahezu wie ein Popstar unserer Tage! Beim Einzug in Jerusalem wird Hosanna hundertfach gesungen, Zweige werden als Zeichen der Ehre auf die Straße gestreut. Das Widersprüchliche beginnt: Vielleicht am ehesten spürbar an der Wahl seines Reittieres: eines Esels. Ein Tragtier maximal der damaligen Mittelschicht, aber keinesfalls das Repräsentationstier eines Königs oder eines Helden. Jesus und umjubelter Star - das passt nicht zusammen! Das Drama folgt dann wenige Tage später: Verrat, Auslieferung, Alleingelassen werden, Haft, Folter und das "Kreuzige ihn" des Volkes mit dem folgenden Todesurteil: die Vollendung des Widersprüchlichen. Wenn ich auf die Tage von Palmsonntag bis Karfreitag schaue, dann kommt mir folgendes für unseren Alltag in den Sinn: Es ist generell wichtig, immer genau hinzuschauen, abzuwägen, Blickwinkel zu verändern und sich nicht ein vorschnelles Urteil zu bilden. Es ist zudem richtig, an der Seite der Verfolgten und Unterdrückten und zu Unrecht Geschmähten zu stehen. Es ist ferner angezeigt, wenn es geht, gegen das Widersprüchliche dieser Welt und des Lebens anzugehen. Und da, wo die Widersprüche nicht aufzulösen sind, diese auszuhalten, zu ertragen oder vielleicht besser formuliert: mitzutragen. Einen gesegneten Sonntag und eine vielleicht nachdenklich machende Karwoche wünscht Bruno Comes, Pfarrer in Wittlich

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