GLAUBE IM ALLTAG

Totensonntag. Zeit, das Vergangene in sich zu spüren.

Trauer braucht Raum. Wir beklagen vor Gott den Verlust. Für manche wird damit vielleicht noch einmal laut, was sie schon hofften, dass es seine Ruhe gefunden hat. Für manche ist es tröstlich, dass an dem heutigen Feiertag einmal nicht der Alltag über den Tod und über die Trauer hinwegrauscht. Wir bringen vor Gott Fragen und Schmerz. Schmerz auch über das, was nicht ausgelebt werden konnte. Trauer über Mangel im Leben der Verstorbenen oder auch von uns selbst. Schmerz darüber, Menschen verloren zu haben im Laufe des eigenen Lebens, verloren an den Tod. Innere Unruhe angesichts von Leben, das zu früh, zu plötzlich zu Ende ging. In Erinnerung an einen Menschen im Verlauf der Geschichte, der nicht alle Lebensalter durchschreiten konnte. Wir bringen vor auch das Gefühl, alleingelassen worden zu sein. Es ist kein Gespräch mehr möglich. Soviel blieb offen. Vielleicht sind da auch noch manche Umstände im Abschied, an die wir zurückdenken oder an bestimmte Lebensphasen, die noch nachwirken. Wir bringen vor Gott Resignation. Oder Ergebenheit. Oder weise Einsicht, dass unser aller Leben endlich ist. Dass wir am Ende einmünden in Gottes Leben ohne die Grenze des Todes. Denn da ist eine große Hoffnungsschau, eine Vision gegen den Ist-Zustand der Welt. Gott will die Welt neu machen. So, wie sie ist, entspricht sie nicht seiner Vorstellung. Gottes Ziel, Gottes Zukunft ist eine Welt ohne die Vergeblichkeit des Lebens! Gott kümmert sich um den Kummer der Menschen. Er lässt sie nicht allein. Er hat Großes vor, weil er schon Großes getan hat durch Jesus Christus. Mit dem Kreuz legt er sich quer und stemmt sich gegen die Dunkelheiten jedes Lebens. Er wird Mensch und verbindet sich mit uns zu einer neuen Gemeinschaft der Hoffnung, in der jeder seinen Platz hat, der sich einladen lässt. Und so sind wir auch mit unserer Trauer zur Gemeinschaft der Hoffenden eingeladen. Denn niemand, der über die Erde geht oder ging, ist vergessen. Und wer in die Nacht des Todes fällt, unter dem steht Christus, das Licht der Welt. Es ist November. Trauermonat. Aber unsere Trauer soll nicht das letzte Wort haben. Denn Gott hat das erste und das letzte. Und wir dürfen wissen: Ehe wir rufen, will er antworten; wenn wir noch reden, will er hören. Ulrich Müller, evangelischer Pfarrer, Irmenach-Lötzbeuren-Raversbeuren.

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