Glaube ohne Tunnelblick

Es sind derzeit nur noch 14 Mönche zwischen 18 und 82 Jahren, die in der Mitte des 20. Jahrhunderts wiederaufgebauten Klosteranlage Himmerod leben. Doch auch moderne Zukunftsvisionen halten Einzug in die Besinnlichkeit.

Himmerod. Abt Bruno Fromme, der in einem halben Jahr diese Führungs-Verantwortung an einen noch nicht bestimmten Jüngeren abgeben wird, ist kein weltferner Geistlicher: "Spiritualität unter der Käseglocke' funktioniert nicht, sondern beide Welten werden in unserem Kloster von konkreten Menschen gelebt." Es dürfe keinen Tunnelblick geben, auch wenn der Glaube an die Verheißung in der konkreten Situation des Kloster schwierig sein möge. Die drei Generationen, die in Himmerod einen konsequenten Glaubensweg mit sechs großen Gebeten täglich gehen, haben verschiedene Erfahrungen und Zukunftswünsche - eine Differenzierung, "die seit jeher überall zu Konflikten führen kann".Der Tag beginnt um 4 Uhr morgens

Doch die vorgegebene Strukturiertheit der Tage, die bereits gegen vier Uhr morgens beginnen und mit der offiziellen Schlafenszeit um acht Uhr abends enden, helfe bei der Orientierung. "Den Mönchen ist ganz konkret im Alltag klar, dass Freiheit die Selbstverpflichtung an übergeordnete Werte und Ideale meint", schildert der Abt die Basis des Zusammenlebens. Der bekannte Sinnspruch des Benediktinerordens "bete und arbeite" sei verkürzt, die "lectio", also die individuelle oder gemeinsame Vertiefung in religiöse Texte, komme hinzu und helfe Antworten zu finden. Antworten brauchen die Mönche des Klosters Himmerod derzeit vor allem auf die drängende praktische Frage, wie der Erhalt ihrer Abtei künftig gewährleistet werden kann, denn jedes Kloster ist auch eine wirtschaftliche Größe, die sehr weltlich funktionieren muss. Himmerod hat mit externen Beratern einen Masterplan entwickelt, der einerseits die bisherigen Aufgaben der Mönche - Gästebetreuung, Seelsorge, Gartenarbeit und anderes mehr - unverändert erhalten soll, der andererseits jedoch mehr Anziehungskraft für das Kloster entwickeln soll. Das Ziel: wirtschaftliche Autarkie mit den gewerblichen Zweigen der Abtei wie Café, Landwirtschaft oder Fischerei und Anreiz für den Nachwuchs des Ordens, sich in Himmerod niederzulassen. Dieser Masterplan (der TV berichtete), für den in Form eines Fördervereins noch Unterstützer von außen gesucht werden, verlangt von den Mönchen eine Öffnung. "Das wird mit viel Freude erwartet, aber ein wenig natürlich auch mit Besorgnis, denn die Patres, die bislang für Gäste zugängliche Exerzitien zur Reflexion über ihre Werte leiteten, haben ihre eigenen Vorstellungen." Entgegen landläufiger Vorstellungen nämlich bedeute das Leben hinter Klostermauern nicht die Aufgabe persönlicher Eigenarten. "Im Gegenteil, es treffen ausgeprägte Charaktere aufeinander." Die Umstellung auf ein Kloster, das als kulturelles und touristisches Zentrum stärker in der Öffentlichkeit stehen wird, habe jedoch auch den Sinn, die geistige Seite des Konvents zu schützen. "Wir wollen innerlich sein und zugleich nach außen strahlen", lautet das Ziel der Neuorientierung, mit der die Abtei Himmerod nun beginnt.

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