Glocken läuten für den Schwarzen Tod

Wittlich · In Wittlich wütete von 1630 bis 1636 die Pest: Ein Viertel der Bevölkerung ist daran gestorben. Deshalb erklärte man den Pest heiligen St. Rochus zum Stadtpatron. Über dieses dunkle Kapitel informiert die Ausstellung: "Ohnmacht und Grauen. St. Rochus, St. Sebastian und die Pest im 17. Jahrhundert." Ein Rundgang mit Kurator Richard Hüttel.

Wittlich. Eine Glocke läutet irgendwo im Hintergrund. Vor den Fenstern hängen schwere, schwarze Vorhänge. Kleine Punktscheinwerfer beleuchten ein Skelett, das in einem Glassarg liegt. Daneben steht eine dunkle Gestalt mit einer Maske mit langer Nase.
Auf dem Boden steht ein Bett, auf dem eine weitere Puppe liegt. Sie hat eine dicke Beule am Hals und ist offenbar schwer erkrankt. Neben dem Bett liegt eine Suppenschale und ein Laib Brot. Eine kleine Kerze steht dabei, um dem offenbar schwer Erkrankten ein wenig Licht zu spenden, während eine Ratte die Szenerie interessiert beobachtet.
"Mit unserer Einstiegsszene wollen wir den Besuchern nahebringen, wie sich die Menschen im 17. Jahrhundert gefühlt haben, als sie der Pest begegneten," sagt Kurator Richard Hüttel. Das Skelett ist tatsächlich von einem an der Pest gestorbenen Toten. Es wurde in Andernach in einem Massengrab aus dem 17. Jahrhundert gefunden. Die dunkle Gestalt mit der langen Metallnase, die an einen Schnabel erinnert, stellt einen Arzt aus dieser Zeit dar.
Einfluss auf die Religion


"Man vermutete, dass die Pest durch die Luft übertragen wurde, durch sogenannte Myasmen," erlärt der Experte. Der Metall-Schnabel war oft mit Essig gefüllt, damit die Dämpfe die mutmaßlichen Erreger zerstören. Die Pest hat zwischen 1630 und 1636 die Bevölkerung von Wittlich um ein Viertel dezimiert. Das lässt sich anhand der Kirchenbücher herausfinden. Diese geben auch Auskunft über den ersten amtlich bestätigten Pesttoten. Sein Name war Philipus Atz. In einer Vitrine ist ein altes Kirchenbuch zu sehen. Sein Name steht als erster in einer langen Liste. Ziel der Ausstellung sei es, den regionalen Aspekt der Pest-Epidemie in den europäischen Kontext zu stellen.
"Die Pest wird sogar zu einem Gegenstand der zeitgenössischen Kunst," sagt Hüttel. Stiche, Gemälde und Skulpturen künden von den Pest-Ausbrüchen in Europa. Die Pest hatte aber auch Einfluss auf die Religion. Beispielhaft dafür sind die Skulpturen der beiden Pestheiligen St. Rochus und St. Sebastian, die in einem weiteren Raum zu sehen sind. Freilich tragen Rochus-Darstellungen die Pestbeule immer am Oberschenkel, obwohl sie dort nicht hingehört. "Pestbeulen hatte man am Hals oder in der Leistengegend," erklärt der Kunsthistoriker. Aber so weit wollte man zu dieser Zeit dann doch nicht bei einem Heiligen gehen und hat die Pest-Beule in eine weniger intime Region des Körpers verschoben.
Wie man sich damals vor der Pest schützen wollte? Auch das gibt es zu sehen. Dazu zählen zum Beispiel Heiligenbilder, die mit Wasser aufgeweicht und dann geschluckt wurden - sogenannte "Schluckbilder". Manch einer klebte an Türstürze kleine Kreuze aus Wachs. "Wer darunter durchging, war vor der Pest gefeit, glaubte man". Einen Blick auf die Gegenwart hingegen zeigt ein weiterer Raum. Zwar ist die Pest eingedämmt und Medikamente dagegen gefunden worden, aber es gibt trotzdem neue Bedrohungen, wie Sars oder Ehec. Eine Puppe, eingekleidet in den Original Katastrophenschutzanzug mit Atemmaske der Kreisverwaltung Bernkastel-Wittlich, verabschiedet den Besucher der Ausstellung, die beklemmend und mit Liebe fürs Detail inszeniert ist.Extra

Öffnungszeiten: Di bis Sa 11 bis 17 Uhr, So und Feiertag: 14-17 Uhr, montags geschlossen. Zur Ausstellung ist ein gleichnamiger Katalog erschienen, der die Exponate darstellt und erklärt. "Ohnmacht und Grauen, von Richard Hüttel und Barbara Mikuda-Hüttel, 104 Seiten, 15 Euro. Die Ausstellung ist bis 28. Februar 2014 geöffnet. Bislang haben schon über 500 Besucher die Ausstellung gesehen.

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