Gratis-Wein auf der Weinstraße

Ein umgekippter Dreirad-LKW hat in den 1920er Jahren für reichlich Freude und Genuss in Greimerath gesorgt: Ein Fass mit 1921er Moselwein landete auf der Straße. Die Greimerather zögerten nicht lange und deckten sich mit dem edlen Nass ein.

 Walter Schuh aus Greimerath erzählt seiner Enkelin Maren die Geschichte vom ausgelaufenen Weinfass, an dem sich die Greimerather in den 1920er Jahren erquickten. TV-Foto: Erich Gerten

Walter Schuh aus Greimerath erzählt seiner Enkelin Maren die Geschichte vom ausgelaufenen Weinfass, an dem sich die Greimerather in den 1920er Jahren erquickten. TV-Foto: Erich Gerten

Greimerath. Im Volksmund wird die Straße von der Mosel über Wittlich-Neuerburg hoch in die Eifel als Weinstraße bezeichnet. Über ihre Vorgängerwege sollen Eifelklöster wie Maria Laach im Mittelalter Moselwein in die Eifel transportiert haben.

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Bei Greimerath, dort, wo die aus dem Tal hoch führenden Wege erstmals die Eifelhöhen erblicken, wurde die Weinstraße in der Zeit um 1922/23 ihrem Namen im wahrsten Sinne des Wortes gerecht.

An einem Spätsommertag ergossen sich an die 1000 Liter Wein über die Weinstraße. Die Greimerather wissen das genaue Datum nicht mehr, nicht einmal das Jahr. Aber sie wissen aus Erzählungen, dass ein Weinhändler mit einer Ladung besten 1921er Weins bei seiner Ausfahrt aus Greimerath dermaßen schwungvoll die Kurve zur Weinstraße Richtung Hasborn nahm, dass sein Fahrzeug mitsamt einem Fuderfass voller Wein umkippte.

Walter Schuh aus Greimerath kennt das Drumherum aus den Erzählungen seines Vaters Josef. "Der Weinhändler war mit einem dreirädrigen Leichtlastwagen unterwegs. In der 90-Grad-Kurve kippte das Fahrzeug mitsamt Weinfass um."

Dem Fahrer passierte offensichtlich nichts. Aber das Fass lag auf der Straße und war beschädigt. Schnell sprach sich in Greimerath herum, das auf der Straße köstliches Nass auslief. "Mein Vater Josef und dessen Bruder Johann, damals Mitte 20 und noch Junggesellen, eilten zum Unglücksort. Schnell entschlossen nahmen sie sich von den umliegenden Stoppelfeldern mehrere Strohhalme, legten sich auf den Boden direkt beim Weinfass und schlürften den bereits ausgelaufenen Wein aus einer Vertiefung im Erdreich." Weintrinken war seinerzeit ein seltener Genuss für die durchweg armen Eifeler.

Zwischenzeitlich waren aus vielen Häusern die Menschen mit Krügen und Kannen herbeigeeilt, um sich am Segen des langsam aus dem Fass auslaufenden Weines zu bedienen.

Fast alle Greimerather Familien, damals gab es 130 bis 140 Einwohner, sammelten Vorrat. "Nur mein Bruder und ich", erzählte Josef Schuh, "haben mit dem Strohhalm aus dem ausgelaufenen Fass dermaßen einen gebechert, dass wir nachher keine Lust mehr hatten, Kannen und Krüge zu holen, um Vorrat zu fassen".

Walter Schuh fasst das in anderen Worten zusammen: "Die beiden hatten dermaßen einen über den Durst getrunken, dass sie nicht mehr in der Lage waren, Wein in Gefäße abzufüllen." Dann ergänzt er: "Aber Greimerath war für etwa ein Jahr mit Wein versorgt. Die Weinstraße hatte ihrem Namen alle Ehre gemacht."

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