Grünes Tafelsilber will gepflegt sein

WITTLICH. Im Wald ticken die Uhren anders. Deshalb lassen sich die Wittlicher auch den Einsatz für ihren Stadtwald mit seinen vielfältigen Funktionen für den Bürger etwas kosten.

Weit über 2000 Fußballfelder ist er groß, der Wittlicher Stadtwald. Auf 1130 Hektar grünt es nicht nur, 120 Kilometer Wege durchziehen die grüne Lunge. Für dieses "grüne Tafelsilber" und seine Erhaltung wirbt alljährlich Revierförster Joachim Rodenkirch. Er ist dafür, eine Ressourcen schonende Waldwirtschaft zu betreiben, also in die wachsenden Werte des Ökosystems zu investieren, auch im Interesse des Gemeinwohls. Plus-Minus gesehen, ging diese Rechnung in der Vergangenheit nicht auf, und das wird sich wohl auch in der Zukunft nicht ändern: Der Stadtwald bleibt als reines Euro-Zahlenwerk ein Zuschussgeschäft. 1999 lag das Minus im Entwurf bei 118 600 Mark (rund 60 500 Euro), im Jahr 2000 rechnete der städtische Haushalt mit einem Minus von 112 000 Mark (57 200 Euro). Laut Rechnungsergebnis 2003 waren es 80 851,82 Euro und im Haushaltsansatz 2004 nun 73 400 Euro als rote Zahl. Für das Jahr 2005 wird der Fehlbedarf rund 68 500 Euro betragen - ein leichter Rückgang des alljährlichen Minus. Dass mit dem grünen Kapital rote Zahlen geschrieben werden, ist nicht nur in Wittlich so. Reinhard Irle, Leiter des neu gestalteten Forstamts Wittlich und zuvor 20 Jahre beim Forstamt Manderscheid tätig, stellte sich erstmals dem Wittlicher Stadtrat vor und bemerkte: "Im kommenden Jahr wird Landesforsten ein Landesbetrieb, aber kein echter Eigenbetrieb. Dann wird nur noch eine Zahl im Landeshaushalt erscheinen - eine Zuführung, aber die soll schmelzen." Irle gab dem Stadtrat vor Rodenkirchs Vortrag mit auf den Weg: "Mit dem Stadtwald können Sie sich glücklich schätzen. Es ist beeindruckend, im Mundwald spazieren zu gehen. Da brauche ich mich nicht einzumischen. Der Weg ist geebnet, dass es angenehm läuft." Am Wunder Wald als Phänomen, dem man mit nackten Zahlen wie Einnahmen und Ausgaben nicht gerecht werden könne, ließ Joachim Rodenkirch insbesondere die neuen Stadträte teilnehmen. Nicht ohne die bisherige "äußerst positive Waldgesinnung" des Rats zu betonen und zuerinnern: "Was wir jetzt ernten, haben Generationen vor uns gepflanzt. Der Wald ist mehr als Grün und die Summe seiner Bäume."Stadtwald würde 3,60 Euro Eintritt pro Bürger kosten

Lokaler Klima- und Erosionsschutz, Frischluft, Freizeit - all das könne man nicht "berechnen". Eine kleine Rechnung hat er aber doch gemacht: "Der Stadtwald würde 3,60 Euro Eintritt pro Bürger der Stadt kosten." Und summa summarum: "Wenn wir die Leistungen unseres Stadtwalds verkaufen könnten, kämen wir auf zehn Millionen Euro." Die Stadt wolle aber nachhaltig mit dem Wald umgehen und keinen Raubbau betreiben, zumal gelte: "Der Überschuss schmilzt schnell weg." Da die Erlöse für das Holz im Gegensatz zu den stark angewachsenen Lohnkosten kaum angestiegen seien, sagt Joachim Rodenkirch: "Kann man sich vorstellen, dass wir trotz Rationalisierung die Schere nicht schließen können." Außerdem sei der tatsächliche Preis, den die Stadt erzielen könne, oft erst bei liegendem, also geschlagenem Holz möglich, was eine Kalkulation erschwere. "Ich glaube, dass die Talsohle beim Holzpreis durchschritten ist", hatte zuvor Reinhard Irle generell Hoffnung gemacht: Die befürchteten Schäden in Sachen Borkenkäfer seien im Wittlicher Stadtwald, der zu 60 Prozent aus Laubbäumen besteht, nicht der Rede wert gewesen. Und da das Wunder Wald selbst am besten überzeugt, hatte der Stadtförster ihn auch gleich mitgebracht, als Mini-Eiche: "Die ist so alt wie dieser Stadtrat. Aber sie braucht 40 Legislaturperioden, bis sie reif ist." Keinen Bedarf an einer öffentlichen Diskussion sah der Wittlicher Rat nach Rodenkirchs Schlusssatz mit einem Konfuzius-Zitat: "Wer Bäume pflanzt, wird den Himmel gewinnen" und stimmte dem Stadtwald-Budget für den Haushalt 2005 einstimmig zu.

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