"Gruselige Vermarktung des Totengedenkens"

TRABEN-TRARBACH. Halloween hat Hochkonjunktur. Sowohl der Einzelhandel als auch die Werbung haben diesen Tag für sich entdeckt. Kostüme werden verkauft, Dekorationen und Grusel-Utensilien. Es ist Hochsaison für Hexen, Gespenster, Geister und alle, die sich gerne Gruseln.

Aus dem Blickpunkt gerät dabei, dass der 31. Oktober für die evangelische Bevölkerung eine ganz andere Bedeutung hat. Es ist der Reformationstag, an dem Protestanten an den Thesenanschlag von Martin Luther an der Wittenberger Schlosskirche gedenken. Ein Ereignis, das zur Reformation führte und aus der schließlich die evangelische Kirche entstand. Der TV sprach mit Pfarrer Horst Hörpel, dem Superintendenten des evangelischen Kirchenkreises Simmern-Trarbach, über den Reformationstag und Halloween. Welche Bedeutung hat heute noch der Reformationstag für die evangelische Kirche auf dem Hunsrück und an der Mosel?Hörpel: Die Teilnahme an den Reformationstagsgottesdiensten mag sehr unterschiedlich sein, aber im Bewusstsein der evangelischen Bevölkerung hat das Anliegen des Reformationstags bis heute einen hohen Stellenwert. Der Lutherfilm im vergangenen Jahr hat dies noch einmal eindrucksvoll bestätigt. Ist das Feuer raus, sind die Kräfte erlahmt, ist der Glaube schwach geworden bei den Protestanten? Wäre eine neue Reformation nötig? Hörpel: Hier mache ich einen Unterschied zwischen Christen und kirchlichen Strukturen. Ich staune immer wieder, wie nicht nur in Lebenskrisen Menschen Halt und Trost im Evangelium finden und wie groß im persönlichen Gespräch die Offenheit und das Interesse zum Beispiel bei jungen Eltern und Jugendlichen für die biblische Botschaft ist. Aber das öffentlich zu zeigen und sich dazu zu bekennen, passt nicht in eine coole Gesellschaft. Dazu brauchen Menschen heute mehr Mut als früher. Als Organisation steckt die evangelische Kirche wie unsere gesamte Gesellschaft in einer Strukturkrise. Das Ringen um eine Erneuerung kirchlichen Lebens und eine Veränderung überholter Strukturen ist die Aufgabe jeder Generation. Ich erlebe heute eine größere Bereitschaft, sich vor Ort an konkreten Punkten in seiner Kirchengemeinde zu engagieren und auch gezielt finanziell zu beteiligen und nicht nur den Pfarrer machen zu lassen. Reformatorisch geht es heute wie damals um die Veränderung von der Betreuungskirche zur Beteiligungskirche. Wird Halloween nicht langsam zur ernsten Konkurrenz für den Reformationstag? Hörpel: Ich fürchte weder Kürbislichter noch die Kinder auf den Dörfern, die schon früher mit ausgehöhlten "Rummele" von Haus zu Haus gegangen sind, im Gegenteil. Was ich schlimm finde, ist die gruselige Vermarktung des Totengedenkens. Halloween ist von Amerika zu uns herübergeschwappt und zeigt die hemmungslose Perversion von Allerheiligen in der Spaßgesellschaft. Ich fürchte, dass sich mit der Zeit unter dem Deckmäntelchen von Halloween ein Rowdytum organisieren könnte, wie es leider in den Hexennächten zum 1. Mai zunehmend zu beobachten ist. In der Spaßgesellschaft ist der Reformationstag unzeitgemäß und widerständig - zu recht! 1557 wurde in großen Teilen des Hunsrücks und an der Mosel die Reformation eingeführt. Damit stünde 2007 ein größeres Jubiläum für die Protestanten in der Region an. Ein Grund zum Feiern?Hörpel: Da bin ich mir sicher! Nach dem Kreiskirchentag auf dem Hahn ist für 2007 ein Begegnungsfest angedacht - möglicherweise unter dem Thema "Ein feste Burg ist unser Gott" auf der Burg in Kastellaun. Aber das werden wir auf der Herbstsynode diskutieren. S Mit Horst Hörpel sprach unserer Mitarbeiter Dieter Junker

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