Guter Rat ist ziemlich teuer

WITTLICH. "So was Schönes!", hatte sich Horst Kirsch gedacht, als er im Sommer auf seinem Speicher ein Hornissennest entdeckte. Als er es nun, im Winter, fachkundig entsorgen lassen wollte, stieß er auf zahllose Verbote und Vorschriften, die zu sondieren auch der Redaktion schwer fiel.

 "So was Schönes", schwärmte trotz aller Angst vor den Hornissen Horst Kirsch, als er dieses Kunstwerk aus Zellulose auf seinem Speicher entdeckte.Foto: Petra Geisbüsch

"So was Schönes", schwärmte trotz aller Angst vor den Hornissen Horst Kirsch, als er dieses Kunstwerk aus Zellulose auf seinem Speicher entdeckte.Foto: Petra Geisbüsch

Auch der Trierische Volksfreund war begeistert: Das filigrane Nest aus Zellulose, das Horst Kirsch da auf seinem Speicher beherbergt, ist tatsächlich von großer Schönheit und spricht für die hohe Baukunst seiner einstigen Bewohner. Etwa im Oktober, spätestens im November, verlassen Hornissen das Nest, das ihnen einen Sommer lang Heimstatt bot. Es ist unwiderruflich leer. Die Königin überwintert meist in einem Erdloch oder irgendwelchen Ritzen im Gebälk, ihr Schwarm stirbt ab. Im nächsten Jahr baut sich die Königin mit einem neuen Volk ein neues Nest.Herumgesprochen hat sich, dass Hornissen unter Naturschutz stehen. Die Angst der Menschen, die ein Nest in ihrem Garten, in Rolladenkästen oder, wie die Kirschs, auf dem Dachboden entdecken, ist dennoch groß. Sie fürchten, einen jener garstigen Stiche abzukriegen, von denen die Mär geht, dass drei Stiche ein Kind und sieben Stiche ein Pferd töten können.Die Verwirrung war groß

Glaubt man den Naturschützern, ist das erstens Blödsinn und zweitens fast unmöglich: Hornissen stechen nur in größter Bedrängnis und sind ansonsten vorbildlich friedliche Zeitgenossen, hört man allerorten.Nun macht ja keiner freiwillig die Probe aufs Exempel und probiert aus, ob der eigene Organismus oder vielleicht der der Enkelkinder die drei oder fünf oder sieben Stiche verkraftet. Das Äußerste, zu dem ein normaler Mensch sich hinreißen lässt, ist: Einen Sommer lang die summenden Tiere akzeptieren, abends die Fenster schließen und ab und zu ein Stoßgebet gen Himmel schicken. So geschehen bereits zweimal im Kindergarten Neuerburg, und heuer bei den Kirschs. An beiden Adressen hielt man sich an das Artenschutzgesetz, das ein Töten der Tiere verbietet, und wartete geduldig auf den Winter.Was geschehen kann, wenn man dann gesetzeskonform das leere Hornissennest entfernen - oder entfernen lassen - möchte, zeigt, dass guter Rat teuer werden kann, bis man einen Fachmann findet. Rund zwei Dutzend Anrufe vom Ortsgespräch über Gespräche bei Behörden und Feuerwehren in Koblenz und Trier, sämtlich in den telefonmäßig teuren Büroöffnungszeiten, bis hin zu Anrufen auf Handy-Nummern und einem Talk mit einem Schädlingsbekämpfer von der Saar sind nötig, wenn man sich als Laie durchfragen will.Die Verwirrung war groß. Der eine, immerhin Kreisimkermeister, meinte, sobald das Nest leer sei, dürfe es jeder selbst entsorgen. Bei der Feuerwehr, selbst nicht zum Entfernen befugt, folgende Auskunft: Der eine meint, so ein Hornissennest dürfe man selbst wegmachen, ein anderer, das dürfe man in Rheinland-Pfalz nicht. Die Stadtverwaltung reicht zwei Telefonnummern von Fachleuten durch: einmal Trier, einmal Handy. In Trier meldet sich die Frau eines Imkers. "Seit Jahren schon machen wir keine Hornissennester mehr weg." Dafür gibt es wieder eine Nummer, diesmal von Serrig an der Saar. Ein Schädlingsbekämpfer meldet sich, der nicht müde wird, von unseren sechsbeinigen Zeitgenossen zu schwärmen, deren Stiche in der Tat nicht gefährlicher seien als die von Bienen oder Wespen.Sondergenehmigung, wenn Gefahr droht

Ein Nest allerdings dürfe der Normalbürger auch im Winter nicht entfernen, erfährt der Ratsuchende. Auch für den Kreis Bernkastel-Wittlich sei er persönlich zuständig; es wäre nicht das erste Mal, dass er dorthin gerufen würde. Sein Preis: ab 50 Euro aufwärts. Dann ein Anruf bei der Kreisverwaltung. Wieder die Auskunft, jeder dürfe im Winter selbst ein Hornissennest entfernen. Sicherheitshalber empfiehlt die freundliche Dame vom Amt jedoch einen Check bei Michael Ehlting von der Struktur- und Genehmigungsdirektion Koblenz. Herr Ehlting ist endlich die richtige Adresse. "Von mir können Sie eine definitive Auskunft zum Thema Hornissennest erhalten." Und eigentlich entpuppt sich die Sachlage dann als sehr simpel. Sobald die Hornissen raus sind, darf jeder selbst ihr Nest beseitigen. Und auch im Sommer kann man sie loswerden: Wenn Gefahr im Verzug ist, erteilt Michael Ehlting buchstäblich über Nacht eine Sondergenehmigung zum Entfernen beziehungsweise Umsiedeln eines Nestes. Diese Unternehmung ist dann allerdings tatsächlich von Fachleuten durchzuführen. Ehlting hilft beim Aufstöbern.Die Anschrift: SGD Koblenz, Postfach 200361, 56003 Koblenz. Dort sind auch Broschüren über Wespen, Bienen und Hornissen erhältlich.

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