Guter Rat: Nicht von Investoren blenden lassen

Trier · Ungeahnt aktuell: Die Diskussion, ob ein weiteres Shopping-Center nach Trier kommt, kocht hoch, da beginnt in der Trier-Galerie die Ausstellung "Schöner Shoppen? - Analyse innerstädtischer Einkaufszentren als Element der Stadtentwicklung". Eröffnungsredner Rolf Junker (Dortmund) rät den Lokalpolitikern, sich nicht von Investoren blenden zu lassen.

Trier. Vor einem Jahr startete in Mainz die "Schöner Shoppen?"-Wanderausstellung des Zentrums Baukultur Rheinland-Pfalz. Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani organisierte damals gleich einen Trier-Termin. Vom Timing her "wirklich Zufall", aber "gut auf den Punkt gebracht", findet die CDU-Frau nun. Die in der Trier-Galerie präsentierten Schautafeln kommen zur rechten Zeit, denn derzeit kocht die Diskussion hoch, ob die City ein weiteres Shopping-Center braucht. Marktführer ECE (Hamburg) bekundet Interesse (der TV berichtete). Ob er tatsächlich zum Zuge kommt, darüber haben letztendlich Stadtverwaltung und Stadtrat zu befinden. Urbanes Umfeld respektieren

Rolf Junker, renommierter Stadtforscher und Planer aus Dortmund, hatte in seinem Vortrag zur Ausstellungseröffnung einige Empfehlungen parat: "Wem gehört die Stadt, wem gehorcht die Stadt?", fragte der 63-Jährige provokant und riet den Stadtvätern, sich nicht von Investorenmacht blenden zu lassen. Sonst könnte es ihnen in Sachen Selbstbestimmung so ergehen wie andernorts: "Da wurde in vielen Fällen der Gemeinderat am Nasenring durch die Stadt gezogen." Starke Städte hingegen "können wählen. Sie müssen nicht mehr die Einkaufskisten nehmen wie vor zehn Jahren". Insbesondere bei der Integration ins Stadtbild und der Architektur müssten die Entscheidungsträger vor Ort künftig "viel genauer hinschauen als bisher". Einkaufscenter müssten ihr urbanes Umfeld respektieren, sich ihm öffnen und mit ihm korrespondieren, statt wie bislang oft üblich, eine "Stadt in der Stadt" zu bilden. Das verlange von allen an den Steuerungsprozessen Beteiligten - insbesondere von den Stadtplanern im Rathaus - "ein erhebliches Maß an Rückgrat". Nur dann könne auf Augenhöhe verhandelt werden. Junkers Rat: "Passen Sie auf Ihre Stadt auf. Sie haben viel zu verlieren."Manfred Müller (Trier), Vizepräsident der Architektenkammer Rheinland-Pfalz, pflichtete bei. Städtebauliche Fragen müssten frühzeitig und transparent diskutiert werden, um Fehlentwicklungen verhindern zu können. Die Trier-Galerie (eröffnet 2008) sei "nicht der Moloch geworden, vor dem wir alle Angst hatten". Dennoch offenbare eine kritische Betrachtung Mängel.Besucher der Ausstellungseröffnung am Donnerstagabend waren vor allem Architekten und Kaufleute. Letztere nutzten die Gelegenheit zum Austausch über das vom TV publik gemachte ECE-Vorhaben. Baudezernentin Kaes-Torchiani wollte sich noch nicht weiter äußern und verwies auf die Pressekonferenz von Stadtvorstand und ECE am 18. April. Dass es die überhaupt gibt, führt Einzelhandelsverbands-Geschäftsführer Alfred Thielen nicht zuletzt auf seine Initiative zurück. In einem Gespräch mit Wirtschaftsdezernent Thomas Egger Anfang April habe er auf Transparenz gedrängt, zumal die Stadt schon seit über einem Jahr nicht mehr zum Runden Tisch Einzelhandel geladen habe. "Nun wird man im Rathaus doch endlich aktiv", sagt Thielen.Die Ausstellung "Schöner Shoppen? - Analyse innerstädtischer Einkaufszentren als Element der Stadtentwicklung" ist bis 20. April in der Trier-Galerie (Fleischstraße 62) zu sehen. Meinung

 Eröffnung der Ausstellung „Schöner Shoppen?“: Stadtforscher Rolf Junker (links) fordert Rückgrat im Umgang mit Investoren. TV-Foto: Roland Morgen

Eröffnung der Ausstellung „Schöner Shoppen?“: Stadtforscher Rolf Junker (links) fordert Rückgrat im Umgang mit Investoren. TV-Foto: Roland Morgen

Späte Flucht nach vornScheint so, als habe der Stadtvorstand die Bedeutung des Themas "Weiteres Einkaufszentrum in der City?" gründlich unterschätzt. Wie sich nach und nach herausstellt, sind die ECE-Avancen alles andere als ganz neu und die Stadtväter auch schon seit geraumer Zeit in zumindest lockeren Gesprächen mit dem potenziellen Großinvestor aus Hamburg. Offiziell eingeräumt wird das aber erst jetzt, wo der wachsende Druck im Gerüchtekessel den Deckel wegzusprengen droht. Nun ergreifen die Rathaus-Protagonisten die Flucht nach vorn und blasen zur Informationsoffensive. Reichlich spät. Es bleibt ein schaler Beigeschmack. Die Kaufmannschaft hat allen Grund, sich brüskiert zu fühlen. Für beinahe jedes die Verwaltung tangierende Problem gibt es in Trier Runde Tische und Arbeitskreise. Aber ausgerechnet die Einzelhändler sind bislang völlig im Unklaren gelassen worden über das, was da möglicherweise an geballter Mitbewerberschaft auf sie zukommt. Erfahrungsgemäß wird die ECE auch an einem Standort Trier auf 20 000 Quadratmeter Einkaufsfläche (etwa 100 Shops) spekulieren. Die Trier-Galerie hat 15 000 Quadratmeter und 70 Shops. r.morgen@volksfreund.de

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