Gutmütigkeit schützt vor Strafe nicht

Wittlich · Schuldig oder unschuldig? Bis zuletzt hat die Verteidigung des wegen Bestechlichkeit und Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz angeklagten JVA-Beamtens für einen Freispruch ihres Mandanten gekämpft. Genutzt hat es nichts: Das Amtsgericht Wittlich hat den 42-Jährigen gestern zu einer Geldstrafe von insgesamt 7500 Euro verurteilt.

Wittlich. Ist ein Beamter bestechlich, wenn er während seiner Amtsausübung Lakritz und zehn oder 20 Euro annimmt? Und muss insbesondere ein JVA-Beamter damit rechnen, dass in Paketen an Gefangene Drogen versteckt sind? Es sind knifflige Fragen, die sich im Prozess gegen den seit September 2013 suspendierten Beamten der JVA Wittlich vor dem Amtsgericht stellen. Bestechlichkeit im Amt und vorsätzlicher Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz lautet die Anklage. Doch nicht von ungefähr bezeichnet Verteidiger Dr. Ulrich Endres das Verfahren als "geeigneten Fall für eine Examensklausur". Ein Fall mit vielen Rechtsfragen, an denen sich Jurastudenten abarbeiten könnten.

Bestechlichkeit im Amt: Fakt ist, dass der Angeklagte in zwei Fällen Gefangenen an den Kontrollstellen vorbei Pakete in die JVA gebracht hatte. Ein drittes Paket wurde an der Pforte abgefangen. Er erhielt für das Überbringen der Päckchen zweimal Lakritz und einmal maximal 20 Euro. Staatsanwalt Volker Blindert wertet dies als Bestechlichkeit in drei minderschweren Fällen. Anders sieht das die Verteidigung: Weder sei der Lakritz noch die Summe von 20 Euro für den Beamten ein für die Bestechlichkeit erforderlicher Vorteil gewesen. Diese seien ein Dank und eine kleine Aufwandsentschädigung, nicht aber zwingende Voraussetzung für die Übergabe der Pakete.

Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz: Unstrittig ist, dass in dem ersten Paket, das der Beamte ins Gefängnis schleuste, sowie im letzten, mit dem er aufflog, Drogen versteckt waren. Einmal Cannabis im Wert von 50 Euro, zuletzt 17 Gramm Haschisch. Die Anklage ging zunächst davon aus, dass dem Angeklagten das auch bewusst war, er also vorsätzlich handelte. Diese Annahme beruhte auf der Aussage eines Ex-Häftlings, der gegenüber der Polizei behauptet hatte, den Beamten zuvor gewarnt zu haben, dem Gefangenen Pakete mitzubringen. "Der hat mit Drogen zu tun", will er gesagt haben. Vor Gericht verstrickt sich der Zeuge aber in Widersprüche. "Man kann nicht sicher sagen, ob es diese Warnung wirklich gab", sagt selbst Staatsanwalt Blindert. Er wertet das Geschehen daher als fahrlässige Abgabe von Betäubungsmitteln. Der Beamte der JVA wusste um die generelle Drogenproblematik im Strafvollzug: "Da sollten eigentlich die Alarmglocken schrillen", sagt Blindert. Dass sie es bei dem Angeklagten nicht getan haben sollen, liege an seiner Persönlichkeit, sagen die zwei Verteidiger: Sie bezeichnen ihn als "leichtgläubig", "naiv" und "zu gutmütig für einen JVA-Beamten" - als jemanden, der sich schon in der Ausbildung schwer tat. "Für ihn war es außerhalb jeder Vorstellungskraft, dass in den Lakritzpackungen Drogen versteckt sein könnten", sagt Verteidiger Jörg Ehlen. Beide fordern einen Freispruch. Das Fehlverhalten ihres Mandanten müsse dienstrechtliche, keine strafrechtlichen Folgen haben.

Das Urteil: Das Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Stefan Ehses schließt sich im Wesentlichen den Ausführungen der Staatsanwaltschaft an und verurteilt den Angeklagten wegen Bestechlichkeit in drei minderschweren Fällen und der fahrlässigen Abgabe von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen à 50 Euro. Rechtskräftig ist das Urteil nicht. Fest steht aber, dass dem suspendierten Beamten mit der Geldstrafe nicht automatisch die Entfernung aus dem Dienst droht - dafür hätte er zu mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe verurteilt werden müssen. Wie es dienstrechtlich für ihn weitergeht, ist noch unklar. Das Verfahren ruht derzeit. "Erst wenn es ein rechtskräftiges Urteil gibt, betreiben wir das Disziplinarverfahren weiter", sagt Robert Haase, Leiter der Wittlicher JVA.Extra

Anlässlich des Prozesses gegen den Wittlicher JVA-Beamten wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz hat die rheinland-pfälzische Gewerkschaft der Strafvollzugsbediensteten erneut gefordert, in den Gefängnissen eigene Drogenspürhunde einzusetzen. Man sei "besorgt wegen der offensichtlich verschärften Drogenproblematik in den Gefängnissen", heißt es in einer Pressemitteilung. Die Gewerkschaft verweist auf andere Bundesländer, in denen die Tiere eingesetzt werden: Die Inhaftierten, die Angehörigen und die Bediensteten müssten sich dort "der Spürnase der vierbeinigen Rauschgiftprofis" stellen. Das Mainzer Justizministerium hatte den Einsatz eigener Drogenspürhunde zuletzt abgelehnt und auf die Kooperation mit Polizei, Bundeswehr und Bundespolizei verwiesen (der TV berichtete). neb

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