Häftling stirbt, Justiz ermittelt

Wittlich · Ein Beamter der Wittlicher Justizvollzugsanstalt (JVA) soll versucht haben, Drogen in das Gefängnis zu schmuggeln. Die Staatsanwaltschaft ermittelt. Auch ein zweiter Fall aus dem Wittlicher Gefängnis beschäftigt die Trierer Behörde: Anfang Oktober wurde ein Insasse tot in seiner Zelle aufgefunden - vermutlich gestorben an einer Überdosis.

Wittlich. Das Gefängnis, eine drogenfreie Zone? Eine Illusion. Da macht sich auch Robert Haase, Leiter der JVA Wittlich, nichts vor: "Dazu haben wir viel zu viele Wege rein und raus." Die Großküche, in der täglich mehr als 800 Essen zubereitet werden und die jeden Tag von zig Lastwagen beliefert wird, Angehörige, die die Insassen besuchen, Häftlinge im offenen Vollzug mit Freigang - Möglichkeiten, illegale Drogen in die JVA zu schmuggeln, gibt es zuhauf. "Man kann nur stichprobenartig kontrollieren", sagt Haase. Oder eben auf Verdacht. So war das offenbar im Juni: Die Anstaltsverwaltung hatte einen Hinweis bekommen. Ein Bediensteter der JVA soll daraufhin auf frischer Tat dabei ertappt worden sein, wie er Drogen ins Gefängnis schmuggeln wollte. Der 42-Jährige habe knapp 20 Gramm Haschisch, versteckt in einer Lakritz-Schachtel, in die JVA bringen wollen, sagt Dr. Jürgen Brauer, Leiter der Trierer Staatsanwaltschaft. Diese ermittelt nun wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz; der Beschuldigte hat sich bislang nicht zu den Vorwürfen geäußert. "Der Beamte macht im Moment keinen Dienst", sagt JVA-Leiter Haase: Ihm sei die Führung der Amtsgeschäfte derzeit verboten. Anhaltspunkte für Überdosis

Wie gestern zudem bekannt wurde, ermittelt die Staatsanwaltschaft noch in einem zweiten Fall aus dem Wittlicher Gefängnis: Am 1. Oktober wurde dort ein 34-jähriger Strafgefangener tot in seiner Zelle aufgefunden - nach TV-Informationen offenbar mit einer Spritze in der Hand. "Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass der Gefangene an einer Überdosis verstorben ist", bestätigt Oberstaatsanwalt Brauer. Endgültig gesichert ist dies aber noch nicht: Die toxikologischen Untersuchungen dauern noch an. An einen Zusammenhang zwischen den beiden Fällen, sollte sich der Verdacht auf eine Straftat des Beamten sowie der Drogentod jeweils überhaupt bestätigen, glaubt JVA-Leiter Haase nicht: Er bezeichnet beide als "seltenes Ereignis". Er arbeite seit 16 Jahren im Strafvollzug. In dieser Zeit habe er weder einen Justizbeamten erlebt, der Drogen schmuggelt, noch mit Drogentoten hinter Gittern zu tun gehabt. Man habe das Thema Rauschgift in der JVA, in der rund 550 Gefangene im geschlossenen sowie etwa 50 im offenen Vollzug untergebracht sind und insgesamt 370 Justizbeamte arbeiten, "ganz gut" im Griff. "Drogenfunde sind bei uns nicht an der Tagesordnung", betont Haase, er schätzt sie auf ein halbes Dutzend im Jahr. Dennoch sagt er: "Wir führen diesen Kampf jeden Tag."Unterstützt wird die JVA dabei von der Caritas in Wittlich, die eine externe Suchtberatung hinter Gittern anbietet: "Die Mehrzahl der Inhaftierten mit Suchtproblemen haben mit illegalen Drogen zu tun", sagt Caritas-Mitarbeiterin Sabine Wetzorke. Von 192 Männern mit mehr als einem Beratungstermin im vergangenen Jahr seien dies 175 gewesen. Auch außerhalb der JVA verzeichnet die ambulante Suchtberatung der Wittlicher Caritas im Vergleich zu anderen ländlichen Räumen einen relativ hohen Anteil illegaler Drogen bei ihren Klienten. Laut Helga Thiel, seit mehr als 20 Jahren bei der ambulanten Suchtberatung tätig, gibt es zudem im Vergleich zu anderen Kreisen eine "relativ große Szene von Heroinkonsumenten": "Man kann über die Hintergründe dieser Besonderheit nur spekulieren, dass sie etwa mit der JVA, der Nähe zu Holland und auch amerikanischen Stützpunkten zu tun hat." Und doch sprechen die Zahlen für sich, die sie aus der Jahresstatistik zitiert: "453 Klienten mit zwei und mehr Kontakten bei uns, davon 141 mit Hauptdiagnose illegale Drogen und 40 Klienten mit Mehrfachabhängigkeit, die unter die Hauptdiagnose Alkohol fallen, aber auch illegale Drogen in missbräuchlicher oder abhängiger Form konsumieren." Extra

Bernd Rehm vom Rauschgiftkommissariat von der Kriminalinspektion: Welche Besonderheiten gibt es dadurch, dass die Stadt Standort der JVA und JSA ist? Rehm: Dadurch wird zwangsläufig die Arbeit des Rauschgiftkommissariates beeinflusst. So fallen immer wieder Personen auf, die bei Einlieferung Betäubungsmittel mit sich führen, so dass Ermittlungen zu tätigen sind. Auch werden bei Insassen immer mal wieder Betäubungsmittel aufgefunden. Unter den Inhaftierten gibt es verschiedene Abhängigkeiten, überwiegend Cannabis und auch Heroin. Inwieweit tauchen Ex-Häftlinge vor Ort in der Szene auf? Rehm: Es gibt immer wieder entlassene Insassen, die in der Umgebung bleiben. Einige gleiten dann in die BTM-Szene ab, weil sie Kontakte suchen oder weil sie bereits vor Inhaftierung Drogenprobleme hatten. Sie agieren auch als Vermittler, weil sie über entsprechende Kontakte verfügten. Was sind die Schmugglerwege? Rehm: Hierzu äußern wir uns aus ermittlungstaktischen Gründen nicht. sos

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