Umwelt & Natur „Hasborner Wolf“ ist nicht mehr einsam und Vater von sieben Welpen

Altenkirchen/Hasborn · Der Wolfsrüde, der zum ersten Mal im Februar 2021 in Hasborn in Erscheinung trat, als er mehrere Schafe riss, führt nun ein Rudel im nördlichen Rheinland-Pfalz an. Einheimische mutmaßen, dass er den ehemaligen Leitwolf des Rudels aus dem Weg geräumt hat. Mit der Ex seines Vorgängers, seiner neuen Fähe, hat der „Hasborner Wolf“ bereits Nachwuchs gezeugt.

Bilder von Wölfen in Rheinland-Pfalz - Fotos Wolf
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Bilder von Wölfen in Rheinland-Pfalz

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Foto: Jan Lock/Jagdpächter

Mord aus Leidenschaft? Scheut der Wolfsrüde mit der Kennung „GW1896m“, der erstmals im Februar 2021 durch den Riss mehrerer Schafe bei Hasborn in Erscheinung trat, auch nicht davor zurück, seinen Artgenossen an die Gurgel zu gehen?

Fakt ist: Seit sechs Monaten führt das Tier laut Wissenschaftlern ein Rudel im Leuscheider Wald bei Altenkirchen im nördlichen Rheinland-Pfalz an. Merkwürdig dabei ist, dass der ehemalige Leitwolf des Rudels spurlos verschwunden ist. Oberhaupt des Rudels ist nach Angaben des Koordinationszentrums für Luchs und Wolf (KLUWO) mit Sitz in Trippstadt mittlerweile der „Hasborner Wolf“, wie er in der Region genannt wird.

Hat GW1896m, um Chef des Rudels zu werden, seinen Nebenbuhler also einfach aus dem Weg geräumt? Die Wolfsexperten aus Trippstadt erklären, es lägen keinerlei Hinweise auf den Verbleib des vorherigen Leuscheider Wolfsrüden GW1159m vor. „Es ist unbekannt, was mit Wolf GW1159m geschehen ist.“

Doch in der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld mutmaßt man, dass der Hasborner Wolf den vorigen Leitrüden, „der sehr ruhig war“, wie Fred Jüngerich, Bürgermeister der Verbandsgemeinde, im Gespräch mit unserer Zeitung erklärt, „umgebracht hat“.

In der nüchtern-sachlichen Formulierung der Forscher hört sich das weniger dramatisch an: „Fluktuation in der Zusammensetzung der Elterntiere eines Wolfsrudels ist ein natürlicher Prozess. So wird etwa ein Verlust eines Elterntieres durch Integration eines neuen Partners kompensiert. Für den Nachwuchs, der noch auf den jeweiligen Vorgänger oder die Vorgängerin zurückzuführen ist, hat das in der Regel keine negativen Auswirkungen.“

Wie dem auch sei: Man darf dem „Hasborner Wolf“ nicht nur zu seiner neuen Liebe, sondern auch noch zu seiner Vaterschaft gratulieren. Denn das Tier hat sich bereits 2021 „nachweislich mit der örtlichen Fähe (GW1415f) gepaart“. Sieben Welpen kamen zur Welt. Zudem soll er fünf Welpen seines spurlos verschwundenen Vorgängers aus dem Jahr 2020 adoptiert haben.

Mit den sieben Welpen aus dem Jahr 2021 bestehe das Rudel derzeit  offenbar aus 14 Wölfen verschiedener Altersstufen, erklären die Wolfsexperten. „Die bis zu fünf möglicherweise verbliebenen Welpen aus dem Jahr 2020 verlassen das heimische Rudelgebiet als subadulte Tiere circa im Alter von ein bis zwei Jahren. Es kommt also nicht zu einer immer weiter zunehmenden Wolfdichte im Rudelgebiet, sondern es handelt sich um einen Familienverband mit über die Jahre hinweg wechselnder Tieranzahl.“

Es könnten dennoch bald mehr werden, denn nach Aussage der Forscher befinden sich die Tiere aktuell in der Paarungszeit. Dass sich GW1986m und GW1415f näher gekommen sind, belegten erstmals DNA-Proben, die an gerissenen Schafen entnommen worden waren. So fanden die Forscher an Kadavern gerissener Tiere DNA-Spuren beider Tiere. Das Paar – oder Rudel – geht also gemeinsam auf die Jagd und legt Wert auf gemeinsame Mahlzeiten.

Dabei macht GW1986m, wie seit längerer Zeit bekannt ist, gerne leichte Beute und hat eine Vorliebe für Schafsfleisch: Der Wolf wird, wie seine im Labor ausgewerteten DNA-Spuren verraten, mit mehr als 70 Nutztierrissen in Verbindung gebracht. Damit hat der neue Leitwolf des Leuscheider Rudels mit großem Abstand so viele Nutztiere gerissen wie kein anderer Wolf in Rheinland-Pfalz. Die Großzahl aller Nutztier-Risse ereignete sich bislang in der Verbandsgemeinde Altenkirchen-Flammersfeld, wo das Rudel mit 14 Tieren heimisch ist. Altenkirchen-Flammersfeld ist also aktuell das Wolfsland in Rheinland-Pfalz.

Wie kommen die Menschen dort mit dem Raubtier, das Jahrhunderte verschwunden war, und nun wieder auf Wild- und Nutztiere Jagd macht, zurecht? „Bis dato gab es keinerlei Übergriffe auf Menschen und meines Wissens nach auch keine brenzligen Situationen“, sagt Bürgermeister Jüngerich. „Es werden immer wieder Schafe und kleinere Huftiere gerissen“, aber an Großvieh oder Pferde hätten sich die Wölfe in Altenkirchen-Flammersfeld noch nicht herangetraut.

Vor der Ankunft von GW1986m, der sich in seine Jagd auf Nutztiere spezialisiert habe, sei das Rudel allerdings kaum aufgefallen, sagt Jüngerich. „Blöd für die Welpen, die seine Jagdtechnik von ihm lernen.“ Trotzdessen sei das Tier kein „Problemwolf“, sagt der Bürgermeister. In allen Fällen, in denen GW1986m Nutztiere gerissen habe, seien die Zäune unzureichend und damit nicht wolfssicher gewesen. „Man kann ihn nicht als Problemwolf bezeichnen, da er quasi eingeladen wird. Wenn Sie einem Fuchs eine Hühnerstalltür öffnen, ist er auch kein Problemfuchs. Der Wolf reißt halt alles, was er reißen kann. Das ist das Verhalten des Raubtieres.“

Unglücklicherweise fühlte sich der neue Leitwolf auch im kleinen Tierpark der Verbandsgemeinde in Flammersfeld eingeladen, wo er mehrere Stücke Damwild gerissen hat. Jüngerich: „In freier Wildbahn können Tiere ja wegrennen und flüchten, aber hinterm Zaun nimmt er alles mit, was er kriegen kann. Das ist das normale Verhalten.“

Doch in Altenkirchen-Flammersfeld sieht man dem nicht tatenlos zu: Es gibt Infoveranstaltungen, bei denen Kleintierhalter, Landwirte und Jäger über Wolfsschutzzäune, Entschädigungszahlungen sowie Fördermöglichkeiten aufgeklärt werden. Jüngerich: „Interessant ist, dass die Berufsschäfer mit ihren Herden, die von Herdeschutzhunden bewacht werden, keine Probleme haben, obwohl sie im Leuscheider Wald direkt im Gebiet der Wurfhöhle unterwegs sind.“ Die Risse würden sich dann aber 20 Kilometer entfernt, „wo drei Schafe hinter einem nicht wolfssicheren Zaun gehalten werden“, ereignen, berichtet Jüngerich.

 Der Hasborner Wolf im Westerwald: Dort führt er nun ein Rudel und hat auch schon für Nachwuchs gesorgt.

Der Hasborner Wolf im Westerwald: Dort führt er nun ein Rudel und hat auch schon für Nachwuchs gesorgt.

Foto: Jan Lock/Jagdpächter

Für die Landwirte, sagt er, müsse die Politik jedoch beim Thema Herdenschutz noch nacharbeiten. Wenn der Wolf Herden hetze, Tiere ausbrächen und in der Folge dessen ohne nachweisliche Bisswunden zu Tode kämen, gebe es bislang keine finanzielle Entschädigung. Das, sagt der Bürgermeister, müsse sich ändern. Laut Umweltministerium ist eine Besenderung von GW1986m oder eines anderen Rudeltieres im Gespräch, was die Nachverfolgung des Aufenthaltsortes per GPS erlauben würde.

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