Hassliebe und Feuchtigkeitsverlust

Traben-Trarbach. Normalerweise steht der Kontrabassist in der hintersten Reihe eines Orchesters. Diese Tatsache kann schon zu Identitätskrisen führen, wie man jetzt bei den Mosel Festwochen in dem Theaterstück "Der Kontrabass" in Traben-Trarbach erfahren konnte.

Egal, was man von Schauspielerei und von Literatur hält. In einem Punkt musste man Michael Ophelders bei seinem Soloabend im Rahmen der Mosel Festwochen im Alten Casino in Traben-Trarbach auf jeden Fall größten Respekt zollen: Das Fassungsvermögen seiner Blase ist höchst beeindruckend. Fünf Flaschen Bier allein im ersten Teil des Stückes "Der Kontrabass" von Patrick Süskind, das ist eine Leistung, die längst nicht jeder schafft. Immer wieder ging Ophelders während der Aufführung des Einpersonenstücks an den fast schon historischen Kühlschrank auf der Bühne und versorgte sich mit dem Gerstensaft, mit dem er seinen Feuchtigkeitsverlust ausgleicht. Aber es war nicht nur die physische Meisterleistung Ophelders, die den Abend zu einem bewunderungswürdigen und amüsanten Vergnügen machte. Es war eine stimmige Angelegenheit im Ganzen, angefangen beim Ambiente des Alten Casinos, von Intendant Hermann Lewen mit "morbidem Charme" charakterisiert, bis hin zu einer ausgezeichneten schauspielerischen Leistung des Protagonisten, die am Ende zu einem sehr lang anhaltenden, begeisterten Applaus der gut 100 Besucher führte. Mittelpunkt des ganzen Abends ist immer wieder der Kontrabass, diese Basis eines jeden Orchesters, ohne die man Konzerte gleich ganz vergessen kann, wie Ophelders nicht müde wird, zu betonen. 1981 hat der Schriftsteller Süskind diesen ausführlichen Monolog eines Kontrabassisten veröffentlicht. Der Zuspruch des Publikums war so gewaltig, dass es in der Saison 1984/85 das meistgespielte Werk an deutschsprachigen Bühnen wurde. Ophelders geht in seiner Rolle als Kontrabassist eines imaginären Staatsorchesters teilweise recht frei mit der Vorlage um, bleibt aber, was den Kern der Sache angeht, seine Hassliebe zu seinem Instrument, immer bei der Sache. Letztendlich gibt er das Charakterbild eines Menschen zum Besten, der sich selbst zu definieren sucht, aber immer am Kontrabass hängen bleibt. Aus dem wichtigsten Bestandteil eines Orchesters wird ein Ungetüm, dem er im Verlauf des Stücks entgegen brüllt: "Musst du mir immer und überall im Wege stehen?" Vielleicht der zentrale Satz des ganzen Stückes. Ophelder gestaltet seine Rolle mit einer faszinierenden Tragikomik, die viel Grund zum Lachen bietet aber nie in die Nähe von Klamauk gerät. Ein heiterer Abend mit ernstem Hintergrund.

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