Haushalt: Landkreis Bernkastel-Wittlich übt sich in Pflicht statt in Kür

Bernkastel-Wittlich · Wer 202 Millionen Euro einnimmt, kann was ausgeben. Der Landkreis muss das tun. Er hat Pflichtausgaben. Wenn es kommt wie im Haushaltsplan, hat er 2017 2,8 Millionen übrig. Trotzdem braucht er Kredite: Damit würde der Schuldenstand auf mehr als 91 Millionen Euro wachsen.

Es sah schon schlimmer aus. Der Landkreis hat jahrelang rot gesehen, wenn er auf die Bilanz fürs jeweilige Haushaltsjahr geblickt hat. Nun kann Landrat Gregor Eibes wieder schwarze Zahlen präsentieren. "Ich sehe nach den kräftigen Minusbeträgen, dass es ab 2015 endlich soweit ist, dass wir Überschüsse verzeichnen. Jetzt sind es nach den Plandaten 2,84 Millionen Euro."

Für das kommende Jahr wohlgemerkt, wenn alles so kommt wie kalkuliert. Aber die Schulden der Vergangenheit drücken. Laut Kreistagsunterlagen, die eine Zehn-Jahres-Übersicht bieten, wird der Schuldenstand von 2007 mit 40 Millionen Euro (nach weiteren Kreditaufnahmen dann Endstand 45 Millionen Euro) im Jahr 2017 auf 85 Millionen Euro (nach weiteren Kreditaufnahmen Endstand mehr als 91 Millionen Euro) wachsen.

Selbst angesichts dieser Altlasten schaut Eibes positiv nach vorn: "Die Entwicklung der Jahresergebnisse lässt hoffen, dass wir ab 2020 im Plusbereich liegen und dann die Altfehlbeträge abgebaut haben." Auch der Besitz soll auf jeden Fall mehr wert werden, immerhin wird Geld in ihn gesteckt, etwa in die Schulen, ein Investitionsschwerpunkt im Gesamtpaket der 21 Millionen Euro.

Für die Schulen sollen rund 8,3 Millionen Euro ausgegeben werden, davon übernimmt der Kreis fast 4,9 Millionen Euro. Unter anderem fließt Geld in die Heizungsanlage der Freiherr-vom-Stein-Realschule-plus in Bernkastel-Kues, in Heizung und Brandschutz an der Realschule plus in Neumagen-Dhron und Geld in die Realschule plus in Manderscheid, das Gymnasium Traben-Trarbach, die BBS Wittlich und die IGS Morbach und IGS Salmtal.58 Millionen Euro Kreisumlage

Investiert werden fast 1,3 Millionen Euro für die Rettungswachen in Bernkastel-Kues, Manderscheid und Thalfang.
Als Vorzeigeprojekt gilt der Ausbau des Breitbandnetzes, in das 4,6 Millionen Euro fließen sollen, die größtenteils von Bund und Land getragen werden. Der Eigenanteil des Kreises daran sind 370.000 Euro. Bis 2018 soll der Ausbau mehr als zwölf Millionen Euro kosten.

Doch wo kommt das Geld her? Vom Bund an die Länder und von dort weiter nach unten werden die Mittel umverteilt. Nicht immer kommt alles da an, wo es ausgegeben wird. Das sorgt aktuell für eine komplizierte Aktion, mit der der Kreis sich etwas zurückholen will, was ihm zustehe, weil die Kosten insbesondere im sozialen Bereich steigen. Immerhin stehen für die Posten Pflege und Eingliederungshilfe fehlende 23 Millionen Euro oder das Budget Jugend und Familie minus 33,5 Millionen Euro im Plan.

Als eine zentrale Einnahmequelle gilt die Kreisumlage. Hier stehen die Zeichen auf Zuwachs. Hat man für 2016 noch 53 Millionen eingeplant, steigt die Summe für 2017 auf fast 58 Millionen Euro. Dabei soll der Hebesatz von 46,60 Prozent zwar gleich bleiben, um aber Geld abschöpfen zu können, das per Bundesgesetzgebung dem Kreis für soziale Hilfen und Eingliederungskosten zugutekommen soll, wird der Kreisumlagesatz auf die Umsatzsteueranteile auf rund 61,6 Prozent erhöht. Dieses komplizierte Verfahren sei, sagt der Landrat, mit den betroffenen Kommunen besprochen. Denn von denen kommt das Geld. So sagte auch Jürgen Jakobs, CDU: "Wir haben sehr gute Einnahmegrundlagen und können sehr dankbar sein. Wir schaffen nichts, wir schöpfen nur ab."

Im Finanzhaushalt gibt es vermutlich einen Überschuss von 7,2 Millionen Euro, die auch dazu dienen, ordentliche Tilgungen zu leisten. Dafür sind fast 4,5 Millionen Euro eingesetzt. Trotzdem müssen sozusagen neue Löcher gestopft und neues Geld geliehen werden: "Sechs Millionen Euro Netto-Neuverschuldung sind nicht erfreulich", sagt daher Eibes. "Der Haushalt ist so unspektakulär wie im Vorjahr und in seinen Ansätzen aufs Notwendigste beschränkt. Insofern könnte ich jetzt Schluss machen oder die Rede vom letzten Jahr halten", fasst Norbert Kraff, FWG, die relativ unspektakulären Aussichten fürs kommende Haushaltsjahr zusammen.

Dass im vergangenen Jahr durchaus andere Themen auf der Tagesordnung standen und die Kreispolitiker bewegt haben, daran erinnert Jürgen Jakobs gleich zu Beginn seiner Rede: "Damals ging es um das Thema Flüchtlinge. Gottseidank hat sich das stark normalisiert. Wir hatten 1300 in der Spitze und nach aktueller Bilanz 700 im kommenden Jahr. Das sind Zahlen, die man händeln kann. Es gibt bei uns gute Beispiele, die muss man weiter entwickeln."
Darauf geht auch Bettina Brück, SPD, in ihrer Haushaltsrede ein: "Ich bin froh, dass wir uns in der Grundtendenz immer einig gewesen sind. Wir können stolz sein, was unsere Willkommenskultur anbelangt. Das geht zurück auf große Ehrenamtlichkeit, und es ist gut, dass das von der Kreisverwaltung mit der Koordinatorenstelle unterstützt wird."
Diese Grundtendenz, sich einig zu sein, gilt auch für den Haushaltsentwurf 2017: Er wurde einstimmig beschlossen.Extra: Sprüche im Kreistag ...

... zum Thema Schuldenberg:
Landrat Gregor Eibes: "Ich hoffe, dass wir in besseres Fahrwasser kommen. Die Zahlen sind exorbitant. Da liegen wir ganz weit vorne landesweit - im Negativem".
Gertrud Weydert von den Grünen: "Mir wird da immer ganz schlecht. Das ist die zweithöchste Pro-Kopf-Verschuldung im Land."
Dirk Richter, FDP: "Beim Schuldenberg ist der Landkreis Spitzenreiter in Rheinland-Pfalz geworden. Man fragt sich, ob das alles so richtig war, was wir entschieden haben."

... zur Kommunalreform:
Jürgen Jakobs, CDU: "Für die VG Thalfang ist nach wie vor eine Lösung im Landkreis das Ziel. Daran sollten wir arbeiten. Der VG-Rat hat ja den Entschluss gefasst, ,Jetzt reden wir mal mit den bösen Morbachern.'"
Norbert Kraff, FWG: "Man merkt, dass es an den Kreisgrenzen knirscht und knackt. Hier sollten wir schnellstens für Klarheit sorgen bei dem Gerangel und Geschiebe um die VG Thalfang. (…) Finanzielle Rosinenpickerei soll es nicht geben."

... zu den RWE-Aktien:
Bettina Brück, SPD: "Die SPD kommt nicht ohne das Thema RWE-Aktien aus. Hätten wir im Jahr 2008 verkauft, hätten wir 20,5 Millionen Euro erzielen können. Jetzt sind wir vom Tafelsilber beim Plastikbesteck angekommen."
Gertrud Weydert, Grüne: "Die SPD hat Recht. Wir hätten verkaufen sollen. Aber im Nachhinein ist man immer schlauer."

... zur Kreisumlage:
Norbert Kraff, FWG: "Das war schon harte Kost, diese Finanzverwirrung in der Vorlage zu verstehen. Wir danken Herrn Thiel und seinen Mitarbeitern, die bei dieser Gemengelage noch den Überblick behalten".

... zur Länge der Reden:
Gertrud Weydert, Grüne, die als Vierte spricht und einen dicken Papierstapel zum Pult trägt: "Keine Angst. Ich bin schon alt. Es ist alles groß geschrieben."

... zum Haushaltsplan:
Dirk Richter, FDP:
"Dem Bürger ist das eh gleichgültig, solange er weiter die erwartbaren Leistungen der öffentlichen Hand erhalten kann."

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