Hebräisch und Deutsch als Sprachen der Heimat

WITTLICH. (red) Zu einem ungewöhnlichen Gesprächsabend lud das Emil-Frank-Institut in die Wittlicher Kultur- und Tagungsstätte Synagoge ein. Zu Gast im ersten Emil-Frank-Forum des neuen Halbjahresprogramms war Eran Bar-Am, einer von 15 000 in Deutschland lebenden Israelis jüdischen Glaubens, der nach Deutschland auswanderte und von seinen Erfahrungen berichtete.

Eine "persönliche Bilanz" wollte Eran Bar-Am bei seinem Vortrag und Gesprächsabend in der Kultur- und Tagungsstätte Synagoge ziehen. Der 31-jährige Israeli musste sich bereits oft in fremden Ländern zurechtfinden: Seine Vorfahren waren vor dem Krieg nach Argentinien ausgewandert. Von dort zog es sie jedoch nach Tel Aviv/ Israel, wo der Referent geboren wurde und aufwuchs - sieht man einmal von einem dreijährigen Aufenthalt in Südamerika ab. Seine deutsche Frau lernte er in den USA kennen, wo er eine internationale Schule besuchte. Eran Bar-Am studierte Wirtschaftsingenieurwesen und begann eine Offizierslaufbahn in der israelischen Armee. 1992 war er erstmals für kurze Zeit in Deutschland zu Besuch. Damals fuhr er mit dem Zug von Frankfurt am Main nach Worms: Lautsprecherdurchsagen, Züge, Bahngleise und deutsch beschriftete Straßenschilder riefen Bilder an Berichte über den Holocaust in ihm hervor. Heute wundere er sich, wieso er so empfunden habe: "Der Holocaust ist in Israel allgegenwärtig, in der Begegnung mit Überlebenden, durch die Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem oder den jährlich stattfindenden Holocaust-Gedenktag", so erklärte er sich selbst seine Gefühle und sprach vom "kollektiven Trauma des jüdischen Volkes", das die objektive Wahrnehmung verändere. Er schilderte Beispiele von anderen ihm bekannten Israelis in Deutschland, die ähnlich empfinden. Seine Frau, sein kleiner Sohn und er fassten den Entschluss, nach Deutschland auszuwandern: "Anfangs hatten wir nichts: keine Wohnung, keine Arbeit, kein Auto, ja nicht einmal ein Fahrrad", erzählte Eran Bar-Am. Auch mit der deutschen Sprache haperte es zunächst, wie er mit einem Lächeln erzählte. Das war auch ein Grund, warum seine ersten Bewerbungen in Deutschland nicht erfolgreich waren. Aber Eran Bar-Am gab nicht auf, belegte Deutschkurse und wurde auch von seiner deutschen Frau unterstützt. Schließlich fand er eine Stelle in der Bonner Hauptgeschäftsstelle von "Simon - Kucher & Partners". Die Firma ist eine der weltweit führenden Unternehmensberatungen mit Büros in Europa, den USA und Asien. Auch das Konzept der BahnCard entstammt dieser Ideenschmiede. Mittlerweile ist Eran Bar-Ams zweiter Sohn in Deutschland zur Welt gekommen. Seine Kinder werden zweisprachig erzogen: Hebräisch und Deutsch. Er bezeichnet sich selbst als "nicht-religiösen Juden" und sieht im Judentum ein wertvolles kulturelles und geistiges Erbe, das er seinen Kindern weitergeben möchte. Ob er mit seiner Familie irgendwann nach Israel zurückkehren möchte, wurde er von einem Besucher in der Synagoge gefragt. Er zögert lange mit der Antwort: "Im Moment könne er sich vorstellen, in Deutschland zu bleiben."

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