Justiz Hecke oder Hahn: Wenn Nachbarn streiten, hilft der Schiedsmann

Bernkastel-Wittlich · Schiedsverfahren sind eine günstige und sinnvolle Alternative zu Gerichtsverfahren. Die vermittelnden Personen haben häufig jahrzehntelange Erfahrung. Oft liegen die Ursachen der Konflikte Jahre zurück.

  „Schlichten ist besser als richten“: In diesem Sinne zielen Schiedsverfahren auf Vergleiche statt Gerichtsverfahren wie etwa beim Wittlicher Amtsgericht ab.

„Schlichten ist besser als richten“: In diesem Sinne zielen Schiedsverfahren auf Vergleiche statt Gerichtsverfahren wie etwa beim Wittlicher Amtsgericht ab.

Foto: Ursula Schmieder

  Seit fast 200 Jahren werden bestimmte private Streitigkeiten über Schiedsverfahren ausgetragen. Damit gibt es nicht nur eine kostengünstige Möglichkeit, sich außergerichtlich zu einigen. Die Idee „Schlichten ist besser als richten“ erhöht auch die Chance, dass beide Parteien künftig miteinander auskommen. Denn sie zielt ab auf einen möglichst selbst erarbeiteten Vergleich – mit einvernehmlichen rechtskräftigen Zusicherungen statt eines Urteils mit Gewinner und Verlierer (siehe Extra).

Seit 2008 sind Schiedsverfahren daher nach dem Landesschlichtungsgesetz mitunter verpflichtend. So etwa, wenn sich Nachbarn wegen Hecken oder Bäumen streiten, die über die gemeinsame Grenze wachsen. Weitere Beispiele reichen von als belästigend empfundenen Gerüchen oder dem krähenden Hahn bis zu Beleidigung, Körperverletzung, Sachbeschädigung oder Hausfriedensbruch. Für Fälle wie diese gilt bis zu einem bestimmten Streitwert: Geklagt werden kann erst dann, wenn ein Schlichtungsverfahren gescheitert ist.

Vermittelnde Schiedspersonen werden für einen Schiedsamtsbezirk mit mindestens 5000 Bürgern einer Verbands- oder Einheitsgemeinde oder einer Stadt bestellt. Die damit übernommenen Aufgaben haben einige jahrzehntelang inne. So wie im Kreis Bernkastel-Wittlich Edmund Anderle, seit 28 Jahren für den Raum Neumagen-Dhron, Reinhold Anton, seit 25 Jahren in der Verbandsgemeinde Thalfang, Amtsgericht Hermeskeil, und Leo Kolz, seit 24 Jahren für Longkamp/Monzelfeld/Kleinich.

Die Erfahrungen der kreisweit neun Schiedsmänner und zwei Schiedsfrauen sind ähnlich. Schlichtungsanträge wegen Beleidigung oder Bedrohung sind eher selten. Öfter geht es – wie eh und je – um Lärm, Laub und Bewuchs. Der eine liebe „graue Gärten“, der andere sei vielleicht „grün angehaucht“, verdeutlicht Ilse Schürmann, die nun nach 21 Jahren als Manderscheids Schiedsfrau aufhört (siehe unten stehenden Artikel). Geändert in all den Jahren habe sich, dass Beteiligte öfter mit Rechtsanwalt zur Schlichtungsverhandlung kämen, was zulässig sei.

Markus Lautwein, seit 21 Jahren Schiedsmann für Binsfeld, führt das auf Unwissenheit zurück. Es sei zu wenig bekannt, dass Schiedsverfahren „Zeit, Geld und Nerven“ sparten. Bestätigt sieht er das in jährlich zehn bis zwölf Anfragen an ihn und etwa halb so vielen Verfahren. Auch er vermittelt vor allem bei „klassischen“ nachbarschaftlichen Streitigkeiten, aber auch bei Problemen infolge neuer technischer Möglichkeiten. So etwa, wenn Überwachungskameras das Nachbar-Grundstück miteinbeziehen. Oft zeige sich aber, dass Ursachen Jahre zurückreichten, und sich das dann hochschaukele.

Dass bei Verhandlungen Dinge zur Sprache kommen, um die es aktuell gar nicht geht, erlebt auch Anton Boschet, seit 2008 Schiedsmann für Morbach. Umso wertvoller ist es für ihn, sich in privater Atmosphäre über ein Schiedsverfahren einigen zu können. Denn es bringe Menschen zusammen, die vielleicht Jahrzehnte nicht mehr miteinander gesprochen hätten. Und deren Konflikte seien ja mit einem Gerichtsurteil nicht gelöst. Daher freut es ihn, wenn anfangs „emotional aufgeladene“ Beteiligte im Gespräch auftauen und sich hinterher vielleicht noch vor der Tür eingehend unterhalten.

Wären Schiedsverfahren bekannter, könnte das Ehrenamt zum Vollzeitjob werden, ist Josef Werland, seit 2010 Schiedsmann im Raum Bernkastel-Kues, überzeugt. Nicht ahnend wie einfach das ablaufe, schleppe so mancher Ärger und Frust über Jahre mit sich herum. Entscheidend für den Erfolg sei, einen Vergleich hinzubekommen – mit zwei Parteien, die sich einigen.

 Markus Lautwein vermittelt seit 21 Jahren als Schiedsmann des Bezirks Binsfeld.

Markus Lautwein vermittelt seit 21 Jahren als Schiedsmann des Bezirks Binsfeld.

Foto: Ursula Schmieder
 Im Bezirk Morbach vermittelt seit 2008 Schiedsmann Anton Boschet.

Im Bezirk Morbach vermittelt seit 2008 Schiedsmann Anton Boschet.

Foto: Ursula Schmieder

In Zeiten, in denen Aussagen per Handy oder via Internet im Nu die Runde machen, sei das sinnvoller denn je. So vermittelte er etwa in einem Streit wegen eines über WhatsApp ausgetauschten und als beleidigend empfundenen Kommentars.

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