Helden im Steilhang

Als Kind der Region, das auch noch in einem Haus aufwuchs, in dem nicht nur Wein getrunken, sondern auch angebaut und gehandelt wurde, habe ich auch ab und an darüber gedacht, ob ich nicht auch hätte Winzer werden sollen.

Vor zehn, fünfzehn Jahren habe ich mich eher dazu beglückwünscht, es nicht zu sein. Ich habe den "normalen Winzer" nur als Dienstleister gesehen, der demütig auf Kunden wartet, Flaschen öffnet, ein paar Erklärungen zum Wein abgibt und dann hofft, dass der Gast ein paar Flaschen kauft. Dann kam der Umschwung. In vielen Betrieben rückte die jüngere Generation nach. Das Selbstbewusstsein stieg, die Qualität machte einen weiteren Sprung. Viele Winzer verkaufen sich, ihren Betrieb und den Wein als Gesamtwerk. Und da habe ich mir manchmal gewünscht, doch Winzer zu sein. Frei sein, meinen Erfolg selbst bestimmen und nicht dauernd gesagt zu bekommen, wie ich meine Arbeit zu machen habe. Das wäre doch was. Doch dann fiel mein Blick Ende vergangener Woche auf das Thermometer. 25 Grad zeigte es bereits um 10 Uhr. Und ich sah Leute in den Weinbergen, die sich durch die Reihen kämpften, um das Laubwerk zu bändigen oder es vor Krankheiten zu schützen. Und da war es auch ganz schnell wieder vorbei mit meinem Enthusiasmus. Gleichwohl bleiben die Leute, die bei klirrender Kälte oder bei tropischer Hitze im Weinberg stehen, für mich Helden des Steilhangs. Und ich hoffe, dass ihre Zahl zumindest nicht sinkt. Es wird zu verschmerzen sein, dass ich nicht dabei bin. Ich begnüge mich mit dem Genuss des Produkts der Arbeit.

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