Helm als Milchbehälter

Die letzten Tage verbrachten wir mit Nachbarn und Verwandten von Ernzen, die bereits im Sommer 1944 mit ihrem gesamten Viehbestand zu uns nach Dierscheid geflüchtet waren. Wir schliefen alle in unserem kleinen Keller auf Kartoffelsäcken. In unserem Ort waren die deutschen Soldaten bereits abgezogen, als plötzlich ein deutscher Funktrupp - zwei Mann - neben unserem Haus eine Funkstation aufbauten. Schutzsuche im Keller

Ein Feuerleitoffizier beobachtete von einem Dach den Nachbarort Heidweiler und rief dem Funker seine Informationen zu, dieser meldete sich über Funk mit folgenden Worten: Hier Elbe, wo Donau, - Donau war eine Werferbatterie bei Sehlem. Wenn wir das Wort Achtung hörten, rannten wir alle in unseren Keller, denn dann erfolgte der Beschuss auf Heidweiler, wo zu diesem Zeitpunkt amerikanische Truppen mit ihren gepanzerten Fahrzeugen einrückten. Die zwei deutschen Soldaten haben dann in aller Eile die Funkstation abgebaut, nachdem englische Wörter über Funk zu hören waren und die Werferbatterie bei Sehlem sich zurückgezogen hatte. In Dierscheid waren zum Glück keine Kampfhandlungen und gegen 16 Uhr rückten die Amerikaner in unser Dorf ein. Wir mussten alle aus dem Keller und unser Haus wurde durchsucht. Anschließend standen uns etwa sieben Amerikaner in der Küche gegenüber. Mein Bruder - damals 16 Jahre alt - bot jedem ein Glas Viez an, dies wurde zunächst verweigert, er musste zuerst aus jedem Glas trinken. Der Viez schmeckte allen sehr gut und die Feldflaschen wurden gefüllt. Der "Umtrunk" dauerte etwas länger und plötzlich erschien ein Vorgesetzter mit einem Jeep und schrie sehr laut, denn die restliche Truppe war bereits in Richtung Erlenbach-Hetzerath unterwegs. Die Soldaten verabschiedeten sich freundlich und wir staunten über die vielen Geschenke - Obst, Schokolade, Kekse - die wir alle nicht kannten. Am 9. März kam dann eine Sanitätseinheit nach Dierscheid. In einer Scheune wurde ein Operationssaal eingerichtet, wo verwundete deutsche und amerikanische Soldaten operiert und behandelt wurden.Verständigung mit Hand und Fuß

Da wir Kühe im Stall hatten, wurde meine Mutter von einem amerikanischen Arzt angesprochen, ob er frische Milch bekommen könnte. Meine Mutter gab ihm zwei mit Milch gefüllte Helme. Er bedankte sich und machte sich mit Gesten - keiner konnte ein Wort Englisch - verständlich, er würde mit "Cheese" kommen. Meine Großmutter weinte sehr laut und dachte, wir würden nun alle erschossen. Wir bekamen soviel Käse und andere Köstlichkeiten geschenkt, die wir noch nie gesehen hatten. Der Text stammt von Erich Henkel aus Dierscheid. Dort wurde er 1938 geboren. Nach seiner Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann war er Berufssoldat bei der Bundeswehr.

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