Hereinspaziert ins offene Jugendzimmer

Offiziell hat das Haus der Jugend in Wittlich 232 Tage im Jahr geöffnet und 11 355 Besucher. Inoffiziell bietet es darüber hinaus Platz für Proben und Projekte. Ohne ehrenamtliche Helfer müsste das Angebot eingeschränkt werden. Mit 50 Besuchern am Tag sind die Kapazitätsgrenzen erreicht.

Wittlich. HDJ. Das steht in Wittlich seit 25 Jahren für Haus der Jugend. Es ist ein offenes Angebot für Kinder und Jugendliche. Kicker, Billard, Tischtennis, Computer, Gruppenräume können sie kostenlos nutzen. Oder sich einfach nur treffen.

Ersin, 22 Jahre, erklärt das so: "Dann heißt es einfach: ,Komm mal ins HDJ. Ich will mit dir reden. In fünf Minuten bin ich da.' HDJ ist spontan." Ersin selbst hilft mehr als spontan, wo er kann, hat als Ehrenamtlicher einen Schlüssel und sorgt nicht nur dafür, dass die Computer laufen. "Den kann ich immer anrufen und sagen: ,Geh' mal gucken.'", sagt HDJ-Leiter Hans Floter. Er sagt auch: "Mit zweieinhalb Stellen ist das oft eine Gratwanderung, das alles zu managen. Wir haben nicht mehr viel Spielraum nach oben."

Er sitzt am Tisch im Haus, wo es noch leer ist. Offiziell ist noch nicht geöffnet. Es wurde zur Pressekonferenz geladen. Auf die Bühnenwand hat Floter zwei Grafiken projiziert: Einen Kreis mit vielen gelben und einigen bunten Punkten darin und einen Kreis, in dem die bunten Punkte noch mal von den gelben Punkten durch einen Kreis abgetrennt sind. Letzteres soll für die viel diskutierte "Integration" stehen - immerhin die Hälfte der Besucher hat einen sogenannten Migrationshintergrund.

Das erste Bild steht fürs HDJ. "Die Frage: ,Ihr macht doch bestimmt Integrationsangebote?' - die kann ich fast nicht mehr hören", sagt Hans Floter, "Das bedeutet doch erst mal: ,Ich bin anders, habe Defizite, ich muss erst integriert werden.' Hier ist es so: Jeder, der reinkommt, ist mittendrin. Jeder, der kommt, tut das freiwillig. Und wer sich hier für etwas interessiert, der macht das dann auch mit besonderem Eifer."

Beispiele dafür gibt's viele:

Die Graffitiwand im Stadtpark kennen Spaziergänger, die Breakdance-Gruppe hat viele Fans, neu ist die Schauspielgruppe, beliebt sind die von Jugendlichen selbst organisierten Konzerte und das Kochen immer dienstags mit Sigrid Beek. Neuestes Projekt ist das Hip-Hop-Musical "Reset". Das wird gefördert von Nikolaus Koch Stiftung und der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (der TV berichtete). Markus Kreil erklärt dazu: "Ziel ist, möglichst viele Besuchergruppen zu beteiligen: Bands, Rapper, Tänzer, Theater- und Graffitigruppe."

Apropos Theatergruppe. Auch die ist neu, Leiter Roberto sitzt auch am Tisch und sagt: "Geredet wird viel über Integration, aber keiner handelt. Im HDJ gibt es Antwort auf Fragen, die die Politik nur stellt." Träger des HDJ ist die Arbeiterwohlfahrt Rheinland. Die Stadt Wittlich gibt einen Zuschuss von rund 154 000 Euro, der Kreis 21 000 Euro, das Land 24 000 Euro. Insgesamt kostet der Betrieb 209 000 Euro, davon 140 000 Euro Personalkosten. Was nicht durch Zuschüsse gedeckt ist, wird durch Einnahmen ausgeglichen.

Für die Musikgrundkurse werden gebrauchte Instrumente (elektrische oder akustische Gitarre, Bass) gesucht: Haus der Jugend, Telefon 06571/29160.

Meinung

Selbstläufer, der nicht selbstverständlich ist

Montags bis freitags, 12 bis 20 Uhr, kamen im Jahr 2010 an 232 Tagen 11 355 Besucher, alle wohlgemerkt nur einmal gezählt, ins Haus der Jugend. Darunter gibt es viele Stammbesucher, die sich darauf verlassen können, dass sie dort willkommen sind, ihnen ein kostenloser Treffpunkt zur Verfügung steht. Der bietet ihnen einen Freiraum, den manche eben sonst nicht haben. Der wird nicht nur zum Spielen, reden, Rumhängen genutzt. Dass zum Beispiel fast täglich irgendwelche Bewerbungen im Haus geschrieben werden, sich Jugendliche den Computer zum Erledigen von Hausaufgaben vorab buchen, ist dafür ein gutes Beispiel. Die Arbeit läuft seit 25 Jahren mehr oder weniger selbstverständlich. Wer sie kritisiert, war oftmals noch nie in der Einrichtung, die vielleicht nur eins lernen muss: über Gutes, das geleistet wird, auch zu reden. s.suennen@volksfreund.de

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