Heroinsucht fast mit dem Leben bezahlt

Kein Appetit, kaum Schlaf, Leistungsabfall, aber viel Aggressivität. Die zehn Schüler, die über längere Zeit heroinabhängig waren, und ihre Eltern erfuhren leidvoll, wie sich ein Mensch verändern kann.

 Bares für Rauschgift und damit für die Sucht: ein Teufelskreis, dem zehn junge Männer eine Zeitlang zum Opfer fielen. TV-Foto: Klaus Kimmling

Bares für Rauschgift und damit für die Sucht: ein Teufelskreis, dem zehn junge Männer eine Zeitlang zum Opfer fielen. TV-Foto: Klaus Kimmling

Bernkastel-Kues. Das Schicksal der zehn jungen Männer aus dem Raum Bernkastel-Kues, denen ein mutmaßlicher Dealer zuerst Haschisch anbot und sie später heroinabhängig machte, hat erschreckendere Dimensionen als noch am Montag bekannt war. Wie die Polizei am Dienstag auf TV-Anfrage bestätigte, brachen zwei junge Männer nach dem Konsum von Heroin zusammen und erlitten einen Atemstillstand. Ärzten gelang es, die beiden bereits klinisch Toten wiederzubeleben.

Wie berichtet (TV vom 17. November) hatte sich der mutmaßliche Dealer gezielt junge zahlungskräftige Schüler ausgesucht und sie mit verflüssigtem Heroin, das er als Haschisch-Öl ausgab, abhängig gemacht. Mit dem Geld soll der 23-Jährige seinen eigene Heroinsucht finanziert haben. Nachdem er sich im Frühjahr in die USA abgesetzt hatte, beschafften sich die jungen Männer den Stoff bei zwei anderen mutmaßlichen Dealern in Wittlich. Sie sitzen mittlerweile in Untersuchungshaft.

Die Folgen des Heroinkonsums sind gravierend. Eltern berichten, dass sich ihre Kinder stark veränderten, aggressiv wurden, wenig aßen und kaum schliefen. Ein 17-Jähriger Gymnasiast bedrohte seine Eltern und griff sie auch an. Zu den Konsumenten zählte ein 14-Jähriger, dessen Leistungen in der Schule stark abfielen und dessen Mutter Angst hatte, von ihm geschlagen zu werden.

Jüngster Konsument schwänzte oft die Schule



Als einige der Erwachsenen Rauschgift und diverse zu dessen Gebrauch notwendige Utensilien fanden, wandten sie sich an die Polizei. Nach Angaben von Helmut Kaspar, Leiter der Polizeiinspektion Bernkastel-Kues, macht der 14-Jährige seit sechs Monaten eine Therapie und ist "auf einem guten Weg".

Der Realschüler war auch in der Schule aufgefallen, weil er häufig den Unterricht schwänzte und bei Klassenarbeiten fehlte. In der Lehrerkonferenz sei sein Verhalten thematisiert worden, berichtet Bruno Niederprüm, Rektor der Freiherr-vom-Stein-Realschule Bernkastel-Kues. Danach seien das Jugendamt und der Jugendsachbearbeiter bei der Polizei in Bernkastel-Kues eingeschaltet worden. "Wir haben frühzeitig eingegriffen", sagt Niederprüm.

Die Bürger auf der Straße zeigen sich eher ungläubig über die Dimension des Drogenmissbrauchs. "Dass so etwas hier möglich ist, hätte ich nicht gedacht", heißt es immer wieder.

Ironie des Schicksals: Vergangene Woche nahm das Thema "Drogen-Prävention" in der Realschule breiten Raum ein. Dass es eine Sensibilisierung gibt, zeigt sich unter anderem an dem gut besuchten Eltern-Abend (mehr als 100 Teilnehmer). Claudia Engler (Suchtprävention des Caritas-Verbandes) fasste die Aufgaben-Stellung für die Gesellschaft zusammen. "Wir müssen uns mehr für unsere Kinder, ihre Sehnsüchte, Wünsche und Probleme interessieren, ihnen eine positive Lebensgrundlage schaffen. Sie sollen erst gar nicht in Versuchung kommen, sich Ersatzbefriedigungen in Form von Suchtmitteln zu suchen." Extra Hilfsangebote: Für Hilfesuchende gibt es Anlaufstellen. Guido Moll, Jugendpfleger der VG Bernkastel-Kues, Telefon 06531/54165, vermittelt Adressen. Bei der Polizei in Bernkastel-Kues steht Jugendsachbearbeiter Peter Kranz, Telefon 06531/95270, bereit. Die Landeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bietet unter Telefon 0800/5511600 kostenlos eine Hotline. Hilfe gibt es auch beim Caritas-Verband Wittlich, Telefon 06571/915520 oder 91550 und beim Verein "Die Tür" in Trier, Telefon 0651/170360. Im Internet gibt es unter www.drogenberatung-jj.de einen Chat. (cb)EXTRA Justiz: Weil die Beschaffung von harten Drogen wie Heroin strafbar ist, erwartet die zehn jungen Männer ein Strafverfahren. Nach Angaben von Max-Werner Knod, dem Leiter der Ermittlungen bei der Kripo in Wittlich, reicht das Strafmaß von Sozialstunden über Geldstrafen bis hin zu einer Freiheitsstrafe. Richter Oliver Emmer (Amtsgericht Bernkastel-Kues) bestätigt dies. Auch eine Einstellung des Verfahrens sei möglich. Von Seiten der Polizei ist die Einschätzung zu hören, dass es sich bei den jungen Leuten eher um Opfer als um Täter handelt. (cb)

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