Heute fällt Entscheidung über Contergan-Skulptur

Die Contergan-Opfer dürfen nicht vergessen werden. Um die Erinnerung an die Leidtragenden des Medikamentenskandals wachzuhalten, hat sich der Hundheimer Johannes Igel für eine Gedenk-Skulptur starkgemacht. Das Ziel ist fast erreicht.

Hundheim/Stolberg. Für den 48-jährigen Johannes Igel aus Hundheim ist heute, Dienstag, ein besonderes Datum. Am Abend entscheidet sich, ob in der Stadt Stolberg bei Aachen eine Skulptur aufgestellt wird, die an die rund 10 000 Contergan-Opfer erinnern soll. Der Rat der Stadt, in der der frühere Contergan-Hersteller Grünenthal ansässig ist, befasst sich mit einem entsprechenden Vorschlag, der auf die Initiative des 48-jährigen Verwaltungsfachangestellten zurückgeht (der TV berichtete).

Die Zeichen für eine positive Entscheidung stehen gut. In einem Vorgespräch haben die Vertreter aller Fraktionen nach Angaben der dortigen Pressestelle bereits Zustimmung signalisiert. Ursprünglich hatte Igel, selbst durch das frühere Medikament geschädigt, auf eigene Faust zu dem Bürgermeister von Stolberg, Ferdi Gatzweiler, Kontakt aufgenommen. Er wollte erreichen, dass eine Erinnerungstafel aufgestellt wird.

62 Zentimeter große Bronzeplastik



"Mit meinem Vorschlag habe ich dort offene Türen eingerannt", erinnert er sich. Vielleicht auch deshalb, weil Gatz weiler einen besonderen Bezug zu Contergan hat. Denn das Schlafmittel habe auch im Medikamentenschrank der Mutter gestanden, habe der Rathauschef ihm erzählt. Genommen habe sie es wohl nicht.

In der Zwischenzeit wollen die Beteiligten es nicht mehr bei einer Tafel bewenden lassen. Wenn die Stadtratsmitglieder Ja sagen, soll eine Skulptur des Aachener Bildhauers Bonifatius Stirnberg aufgestellt werden. Die 62 Zentimeter große Bronzeplastik "Krankes Kind" zeigt ein von seinem Leiden sichtlich gezeichnetes Mädchen, dem die Arme fehlen. Nach Auffassung Igels wird häufig vergessen, dass durch Contergan Menschen nicht nur geschädigt wurden. Viele Kinder sind gestorben. Darauf aufmerksam zu machen, ist für ihn eine wichtige Triebfeder seines Handelns.

Der Hundheimer, im Morbacher Rathaus unter anderem für die Volkshochschule zuständig, will sich nicht auf die Opferrolle festlegen lassen. Deshalb ist er auch nicht bereit, über seine eigene Behinderung zu sprechen. Seine eigenen Emotionen habe er hintangestellt, auch im Gespräch mit den Vertretern der Firma Grünenthal. Igel: "Will ich mein Ego befriedigen, oder will ich etwas erreichen?"

Die Stadt Stolberg holte Stellungnahmen von Opfer-Verbänden ein. Der nordrhein-westfälische Landesverband der Contergan-Geschädigten begrüßt die Initiative laut Igel ausdrücklich. Das war für den Pharma-Konzern wichtig.

Daraufhin sei man "gerne bereit" gewesen, die Kosten von 5000 Euro für den Erwerb der Statue zu übernehmen, wie es in einer Pressemitteilung des Unternehmens heißt. Zuvor war es nach Angaben der Stadt Stolberg zu Protesten von Betroffenen gekommen, die jede Zusammenarbeit mit Grünenthal kategorisch ablehnten.

Bei der Skulptur allein soll es nicht bleiben. Die Stolberger verfolgen ein zweites Projekt, das Geschichte und Folgen von Contergan thematisieren soll. Angedacht ist eine Dokumentation, die die Ereignisse aufarbeitet.

Igel rechnet heute fest mit einer positiven Entscheidung. Am 27. Januar trifft er sich mit dem Künstler. ExtraContergan: Mit dem Namen Contergan ist einer der größten deutschen Medikamentenskandale verbunden. Weltweit erlitten 10 000 Neugeborene schwerste Schädigungen, nachdem ihre Mütter das Schlafmittel in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen eingenommen hatten. Die Betroffenen leiden unter fehlgebildeten Gliedmaßen sowie unter geschädigten Organen. 1961 nahm die Hersteller-Firma Grünenthal das Medikament aus dem Handel. 1970 schloss das Unternehmen einen Vergleich mit den Eltern der "Contergan-Kinder". Das Unternehmen zahlte 100 Millionen Euro in eine Stiftung, aus der die Geschädigten eine Rente beziehen. (fpl/iro)

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