"Hier fährt keiner Schrittgeschwindigkeit"

Wittlich · Kaum ist das holprige Kopfsteinpflaster zwischen Himmeroder und Feldstraße glattem Asphalt gewichen, schon häufen sich Beschwerden über Autofahrer, die zu schnell unterwegs sein sollen. Denn auf der Strecke darf nur Schrittgeschwindigkeit gefahren werden.

Wittlich. Auf einen Stock gestützt steht der alte Mann auf dem Gehweg. Immer noch blickt er Richtung Himmeroder Straße. Dorthin, wo gerade ein weißes Auto angebraust kam, scharf abbremste und nur wenige Zentimeter neben ihm nach rechts in die Feldstraße abgebogen ist. Der Mann hat eine sogenannte Spielstraße überquert, den Abschnitt von Marktplatz und Himmeroder Straße, der in die Feldstraße mündet. Dort müssen Autofahrer Schritttempo fahren.
Die Ausfahrt sei problematisch, bestätigt Christian Brauch von der Altstadtapotheke. Vor allem, wenn Fahrzeuge außerhalb der eingezeichneten Parkflächen in der Feldstraße im Halteverbot stehen. Dann muss sich der Autofahrer langsam an die Kreuzung herantasten. Eigentlich unkompliziert, denn die Straße, die Himmeroder und Feldstraße verbindet, liegt im verkehrsberuhigten Bereich, der in Himmeroder beziehungsweise Neustraße beginnt und nur dort ausschildert ist.
"Hier fährt keiner Schrittgeschwindigkeit", sagt Ulrike Jakoby von der Tattoo-Factory. Dies sei schon so gewesen, als die Fahrbahn noch gepflastert war. Im Oktober wurden die Steine herausgerissen und die Fahrbahn asphaltiert. Jakobys Einschätzung nach fahren die Autofahrer nun noch schneller - "da quietschen schon mal Reifen". Spätestens, wenn die Autofahrer um die Ecke von Marktplatz oder Himmeroder Straße biegen, geben sie Gas, beobachten Elfriede Apel, Mitarbeiterin bei EP Herber in der Feldstraße, und die Mitarbeiter der Anwaltskanzlei Adams und Kollegen: "Das hören wir hier."
Gefährlich sei das schnelle Fahren insbesondere, weil viele alte Menschen den 45 Meter langen Straßenabschnitt queren. Denn in dem Gebäudekomplex zwischen Bach- und Feldstraße befinden sich zahlreiche Arztpraxen. Wenn einer langsam fahre, würden die Fahrer hinter ihm hupen, ergänzt Jakoby. Im Rathaus und bei der Polizeiinspektion Wittlich seien Beschwerden eingegangen, bestätigen Jan Mußweiler von der Stadtverwaltung und Hans-Jürgen Riemann, stellvertretender PI-Leiter.
Immerhin wird die Straße täglich von mehr als 700 Fahrzeugen genutzt - 600 bis 650 Autos, Motor- und Fahrräder hat die Stadtverwaltung alleine in der Neustraße gezählt. Hinzu kommen noch die Wagen aus der Himmeroder Straße.
Christian Brauch sieht auch Vorteile in dem neuen Straßenbelag. "Der Asphalt ist viel leiser als das alte Kopfsteinpflaster." Dieses wurde im Oktober herausgerissen, weil es marode war, und die Fahrbahn wurde asphaltiert. Die Kosten für die Straßensanierung betragen rund 57 000 Euro. Auf die Anlieger kommen keine Kosten zu.
Der Apotheker meint, die Fahrbahn sei nun besser abgegrenzt, so dass die Autofahrer mehr auf die Straßenmitte fixiert seien. Vorher seien Autos viel zu nah an den Häusern gefahren; nun sei mehr Platz für Fußgänger. Brauch hat den Eindruck, "dass die Autofahrer jetzt vorsichtiger fahren". Eine Einschätzung, die von anderen Anliegern nicht geteilt wird.
Elfriede Apel schlägt vor, dass sich Mitarbeiter des Ordnungsamts oder der Polizei die Situation ansehen. "Die Geschwindigkeit der Autofahrer lässt sich auf dieser kurzen Strecke mit den Mitteln, die wir haben, nur schwer messen", sagt Hans-Jürgen Riemann. Unfälle seien ihm jedoch nicht bekannt. Auch der alte Mann kommt ohne Blessuren davon. Noch einmal schaut er dem Auto nach, das ihn beinahe umgefahren hat, dreht sich um und geht langsam weiter.Meinung

Tempo raus !
Es stimmt. Die wenigsten Autofahrer fahren auf dem Straßenabschnitt Schrittgeschwindigkeit. Doch warum die Eile? Die Strecke ist gerade mal 45 Meter lang. Wer da am Anfang Gas gibt, muss augenblicklich auf die Bremse treten. Denn spätestens an der Ausfahrt zur Feldstraße muss man stoppen, so unübersichtlich ist sie. Zeitgewinn: keine Sekunde. Schnell fahren bringt folglich gar nichts. Aber es gefährdet die vielen Fußgänger, besonders die alten Menschen, die nicht mehr so schnell reagieren können. Daher: Tempo raus und achtsam fahren! Das kostet nicht einmal Zeit - bringt aber Sicherheit. m.schneiders@volksfreund.deExtra

Fußgänger dürfen die Straße in ihrer gesamten Breite nutzen. Auto- und Radfahrer dürfen sie nicht gefährden oder behindern und müssen Schrittgeschwindigkeit fahren. Als Schrittgeschwindigkeit definiert die Polizei sechs Kilometer in der Stunde. Parken ist auf nur gekennzeichneten Flächen erlaubt. Ausnahme: Fahrzeuge, die zum Be- oder Entladen halten. Autofahrer müssen warten, wenn sie aus einem verkehrsberuhigten Bereich hinausfahren. mehi

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