Hier hat Honecker mit angepackt

THALFANG. Sie bewegt und liefert Stoff für zahlreiche Anekdoten: Die Geschichte der Verbandsgemeinde (VG) Thalfang ist alles andere als langweilig. Einer, der das mit am besten weiß, ist Walter Freis. Der TV hat sich mit dem Ex-Bürgermeister der VG Thalfang unterhalten.

 Zeitzeuge und Geschichtsforscher: Walter Freis war der letzte Bürgermeister, der auch privat im Thalfanger Rathaus untergebracht war. Von 1966-1970 lebte er mit seiner Familie in der Dienstwohnung des Bürgermeisters, die damals im Zuge der Verwaltungsreform jedoch abgeschafft wurde. TV-Foto: Alexander Funk

Zeitzeuge und Geschichtsforscher: Walter Freis war der letzte Bürgermeister, der auch privat im Thalfanger Rathaus untergebracht war. Von 1966-1970 lebte er mit seiner Familie in der Dienstwohnung des Bürgermeisters, die damals im Zuge der Verwaltungsreform jedoch abgeschafft wurde. TV-Foto: Alexander Funk

Bis zum Jahr 1750 reichen die Aufzeichnungen im Archiv der VG Thalfang zurück. Hunderte von Schriften, Akten und Büchern lagern im Kellergeschoss des Rathauses. Einer, der diesen großen Wissensschatz "gehoben" hat, ist Walter Freis aus Thalfang. Dabei hat der 81-jährige Ex-VG-Bürgermeister Erstaunliches entdeckt. "Als ich mich mit der Geschichte Thalfangs beschäftigt habe, ist mir zum Beispiel auch Erich Honecker begegnet, der letzte Staatschef der DDR", berichtet Freis. Aus einem Gerücht machte er Gewissheit

Erst war es nur ein Gerücht. Eine mündliche Überlieferung, die in Thalfang jahrelang die Runde machte: Erich Honecker soll als Handwerker beim Bau des neuen Rathauses im Jahr 1927 geholfen haben. Als Freis das mitbekam, wurde er hellhörig und begann zu recherchieren, was an der Geschichte dran ist. In einem ersten Schritt ließ er sich aus einem Berliner Archiv Erich Honeckers Biographie zukommen. Ein Werk, das nur in Leder gebunden und schwer erhältlich ist. Darin schreibt Honecker, dass er seine Lehrzeit als Dachdecker bei einer Saarländischen Dachdeckerfirma namens Müller/Becker aus Wiebelskirchen verbracht hat. In einem zweiten Schritt verglich Freis die Angaben des ehemaligen Staatsratsvorsitzenden mit den Aufzeichnungen im Thalfanger Gemeindearchiv. Volltreffer! Genau dieselbe Firma, bei der Honecker beschäftigt war, hat tatsächlich die Dachdeckerarbeiten am Thalfanger Rathaus ausgeführt. Und die Nachkommen des Dachdeckerobermeisters Franz Ecker können bestätigen, dass der damals 15-jährige Honecker sich in Thalfang bei ehrlicher Arbeit die Hände schmutzig gemacht hatte. "Zwar bekam das Rathaus damals ein schwarzes Schieferdach, mit hergestellt wurde es aber von einem durch und durch ,roten' Dachdecker", sagt Freis zu der amüsanten Geschichte. Neben der bewegten Historie des Thalfanger Rathauses - allein seit 1819 gab es insgesamt acht verschiedene Verwaltungsgebäude für die Gemeinde - interessiert sich Freis auch für andere Aspekte der Hunsrücker Geschichte. Zum Beispiel für die dreimalige Besatzung durch die Franzosen und ihre Auswirkungen bis heute - so sagen waschechte Thalfanger statt Regenschirm "Perpel" oder statt Bürgersteig "Trottoir". Auch gibt Freis Antwort auf die Frage, warum Thalfang bis heute religiös gesehen im katholisch geprägten Bistum Trier eine evangelische Insel ist. Denn dass in Thalfang mehr Protestanten als Katholiken leben, ist kein Zufall. "Im Jahr 1555 wurde beim Augsburger Religionsfrieden beschlossen, dass alle Untergebenen die Religion ihres Lehnsherren anzunehmen haben", erklärt Freis. Und die Mark Thalfang gehörte vom 12. Jahrhundert bis 1794 der Grafschaft Dhronecken an - deren Oberhäupter waren zur Zeit des Augsburger Religionsfriedens eben gläubige Protestanten. Freis kann noch zahlreiche solcher Geschichten erzählen. Die Geschichte von 1966 bis 1986, als er selbst die Geschicke der VG Thalfang als Bürgermeister leitete, hat er in dem Buch "Thalfang 1966-1986" niedergeschrieben. "Ein zweites, von mir beabsichtigtes Buch ist leider nicht mehr zustande gekommen", bedauert Freis. "Geschichte & Geschichten im Raum Thalfang" sollte es heißen. Wer sich dennoch für die Materie interessiert, kann fündig werden: Denn Einzelpublikationen zu dem Thema sind immer wieder im Kreisheimatjahrbuch Bernkastel-Wittlich sowie in der Zeitschrift des Kulturgeschichtlichen Vereins Hochwald "Der Schellmann" erschienen. Das Buch Buch "Thalfang 1966-1986" kann beim Thalfanger Verkehrsamt für zehn Euro erworben werden.

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