Hochwasserschutz: Neue Grenzen an der Lieser

Bernkastel-Wittlich · Vor allem Wittlich ist gefährdet, wenn der Pegel der Lieser steigt. Um für ein Jahrhunderthochwasser gewappnet zu sein, werden derzeit die Grenzen der Überschwemmungsgebiete neu gezogen. Änderungen gibt es vor allem in Altrich, Minderlittgen, Platten und Plein.

Bernkastel-Wittlich. Ein Hubschrauber verfolgt im Auftrag der Aufsichtsbehörde den Verlauf der Lieser. Er sendet Laserstrahlen hinab, mit deren Hilfe am Computer ein Geländemodell erstellt wird. Mit Hilfe von statistischen Werten der vergangenen Jahre lässt sich nun simulieren, wo und wie schnell sich bei einem steigenden Pegel das Wasser ausbreitet - bis zum schlimmsten Fall, der eintreten kann, dem Jahrhunderthochwasser, bei dem der Pegel an der Messstelle in Plein auf 4,21 Meter steigen würde. An den äußersten Stellen, bis zu denen sich das Wasser ausbreitet, werden die Grenzen der Überschwemmungsgebiete gezogen. Und diese waren bislang zu knapp bemessen.
Karten werden überarbeitet


Seit dem Elbehochwasser im Jahr 2002 überarbeiten die Behörden - im Fall der Lieser die Struktur- und Genehmigungsdirektion (SGD) Nord - die Karten, die die Areale ausweisen. Die alten Arbeitskarten sind ab 2013 nicht mehr gültig; sie berücksichtigen noch nicht die enormen Hochwasserereignisse, wie sie statistisch gesehen nur alle hundert Jahre vorkommen.
"Gerade in Wittlich kann die Situation dann grenzwertig werden", sagt Kreisfeuerwehrinspektor Willi Herres. Dort würden beispielsweise große Teile der Altstadt überschwemmt: die Himmeroder Straße ab dem Schaffweg, der gesamte Marktplatz, die Karrstraße bis Höhe St.-Markus-Haus, die Mittlere Kordel bis Zur Schweiz - und natürlich die Gebiete westlich davon, zur Lieser hin. Das zeigen die aktuellen Karten der SGD Nord. Schlimm würde es vor allem, wenn die Mauer an der Lieser brechen würde, erklärt Wehrleiter Christian Vollmer, "denn ein Teil der Altstadt liegt tiefer als die Lieser, wenn ihr Pegel hoch ist".
Problematisches Treibgut


Problematisch werde es auch, wenn sich Treibgut an der Lieserbrücke sammeln und das Wasser weiter aufstauen würde. 2003, als die Lieser beinahe über die Brücke geflossen wäre, war daher das Gelände abgeschnitten worden, an dem sich Baumstämme hätten verkanten können. Wohnhäuser waren damals kaum betroffen, berichtet Vollmer, nur an wenigen Stellen in der Stadt sei Wasser in die Keller beziehungsweise ins untere Geschoss gelaufen. Allerdings war das auch kein Jahrhunderthochwasser.
Damit das Wasser wieder abfließen kann, wenn ein solches eintritt, sind auf den als Überschwemmungsgebiet ausgezeichneten Flächen viele Nutzungen verboten, wie Anna Kirchner von der SGD Nord erklärt. Unterschieden wird zwischen dem direkt am Fluss gelegenen Abflussbereich, in dem bei Hochwasser hohe Fließgeschwindigkeiten zu erwarten sind. Dort dürfen weder Gebäude stehen, noch Obst- und Rebanlagen gepflanzt werden. Im weiter zurückgelegenen Rückhaltebereich steht das Wasser bei hohem Pegelstand. Dort sind Bauvorhaben möglich, allerdings unter Auflagen, beispielsweise auf Stelzen, um größeren Schaden zu vermeiden.
Bestandsschutz für Häuser


Auch darf zum Beispiel Holz in diesem Bereich nicht gelagert werden, da es weggeschwemmt werden könnte, ebenso wie Stoffe, die das Wasser verunreinigen würden. Mauern quer zur Fließrichtung sind tabu. Illegale Anlagen werden nach Auskunft der SGD Nord bei Kontrollen aber immer wieder entdeckt.
Wer ein Haus besitzt, das sich nach den neuen Karten im Überschwemmungsgebiet befindet, muss höchstens mit neuen Auflagen rechnen, das Gebäude genießt aber Bestandsschutz. Betroffen von den Änderungen sind im Kreis Bernkastel-Wittlich vor allem Altrich, Minderlittgen, Platten und Plein. In Altrich gehören nach Auskunft von Stefan Kölsch, zweiter Beigeordneter, vor allem landwirtschaftliche Flächen und Ausgleichsflächen zu der neuen Abgrenzung.
Über Platten sagt Ortsbürgermeister Alfons Kuhnen: "Es kommen ungefähr fünf bis sechs Gebäude zum bisherigen Gebiet dazu." Betroffen ist vor allem die Lieserstraße. Dass das Wasser dort unerwartet hoch steigen kann, hat sich 1993 gezeigt. Anwohnerin Johanna Maria Jüngling (76) erzählt: "Das Haus ist schon 178 Jahre alt, und noch nie hatten wir Wasser im Haus. Aber 1993 standen wir plötzlich knietief drin."Extra

Der höchste Wasserstand in den vergangenen Jahren an der Lieser wurde nach Daten des Hochwassermeldediensts 2003 gemessen: 304 Meter. Bei den Hochwasserereignissen der Jahre 2002 bis 1991 - fast in jedem Jahr trat die Lieser über die Ufer, meist zwischen Dezember und Januar - lag der Pegel zwischen 301 und 203 Metern. Das Gefährliche: An der Mosel kann man sich früher für ein Hochwasser rüsten, da sie sich aus den Nebenflüssen speist. Steigt also der Pegel an Lieser, Dhron & Co., wird einige Zeit später auch die Mosel betroffen sein. Für die Anrainer der Nebenflüsse dagegen kommt ein Hochwasser oft überraschend, wie Kirchner sagt: "An den kleinen Flüssen kann sich der Wasserstand schlagartig ändern." uq

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