Huhn oder Karpfen?

Auf einer Meierei, Da war einmal ein braves Huhn; Das legte, wie die Hühner tun, An jedem Tag ein Ei Und kakelte, Mirakelte, Spektakelte, Als ob's ein Wunder sei! Es war ein Teich dabei, Darin ein braver Karpfen saß Und stillvergnügt sein Futter fraß; Der hörte das Geschrei: Wie's kakelte, Mirakelte, Spektakelte, Als ob's ein Wunder sei!

Da sprach der Karpfen "Ei! Alljährlich leg ich ‘ne Million Und rühm' mich des mit keinem Ton; Wenn ich um jedes Ei So kakelte, Mirakelte, Spektakelte, Was gäb's für ein Geschrei! Heinrich Seidel Es wird uns tagtäglich vorgeführt. Die Welt zeigt sich als Meierei. Um jede Entscheidung, und sei sie noch so vorläufig, wird ein großes Spektakel veranstaltet. "Egal womit, Hauptsache ich stehe in den Schlagzeilen, scheint das Lebensmotto mancher Stars zu sein. Und wir Normalbürger sind versucht, es zu glauben: Je spektakulärer eine Sache, desto besser. Doch nicht genug damit. Die Verlockung ist groß, das eigene Tun mitreißend und laut ins Gespräch zu bringen. So wird gekakelt, mirakelt und spektakelt. Als Christ muss ich mich fragen lassen: Was halte ich für wahr? Ist das Aufsehenerregende, das Außergewöhnliche, das sich verlockend Darstellende automatisch das Bessere? Unbestritten bedarf es manchmal spektakulärer Aktionen, um zum Beispiel auf Missstände hinzuweisen oder einer lebensdienlichen Sache zum Erfolg zu verhelfen. Aber Mittel zum Zweck sind eben doch nur Mittel zum Zweck. Sie sollten immer im Dienst einer sinnvollen Sache stehen und nicht dem Selbst-Zweck dienen. In dem momentanen "Geschrei und den kurzlebigen, vordergründigen Effekten, verwischen sich Entscheidendes und Unsinniges derart, dass das eine vom anderen kaum noch zu unterscheiden ist. Für viele Menschen, besonders auch für Jugendliche, wird so alles gleich-wertig, gleich-gültig und also sinn-los. Wenn wir in der Bibel nachlesen, ist auffällig, dass Jesus nie um seiner selbst willen Spektakuläres tat. Seine Zeichen und Wunder waren immer Hinweis auf den, der ihn gesandt hatte, auf seinen Vater im Himmel. Gott sei Dank gibt es auch diejenigen, die tagtäglich ihre Frau, ihren Mann stehen, die ihre Pflichten gewissenhaft erfüllen, die alltäglichen Aufgaben erledigen und sich des mit keinem Ton rühmen. Vielleicht lässt sich die Fastenzeit nutzen, es diesen Menschen gleich zu tun. Vielleicht wird dann Wichtiges wieder wichtig und Lustiges wieder lustig. Monika Bauer-Stutz, Wengerohr

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