Ideenaustausch für die Dorfzukunft

An Visionen glauben, Ortskerne entwickeln und Regionalmarken etablieren: Das sind einige der Ideen, über die 105 Bürger, Experten und Politiker gesprochen haben. Im Hunsrückhaus haben sie sich gestern zur zehnten Regionaltagung getroffen.

 Alle ziehen am gleichen Strang. Dörfer sollen auch künftig gemeinsame Heimat für Kinder und Erwachsene sein. TV-Foto: Klaus Kimmling

Alle ziehen am gleichen Strang. Dörfer sollen auch künftig gemeinsame Heimat für Kinder und Erwachsene sein. TV-Foto: Klaus Kimmling

Erbeskopf. Es ist Frühling im Hunsrück. Der Skilift am Erbeskopf steht schon lange still. Trotzdem ist der Parkplatz vor dem Hunsrückhaus voll. Drinnen drängen sich 105 Menschen - unter ihnen zahlreiche Kommunalpolitiker und Wissenschaftler, aber auch interessierte Bürger.

Einer von ihnen ist Erich Gauer. "Wenn ich nicht in Morbach wohnen würde, würde ich morgen hinziehen", sagt er. Der Rentner ist sozusagen Stammgast. Diesmal interessiert ihn das Thema "Dörfer entstehen im Kopf". Er war bisher bei jeder Regionaltagung am Erbeskopf dabei. Das wichtigste bei der Dorfentwicklung ist für ihn eine Standortkartierung. "Wir müssen für jedes Dorf herausfinden, was der Standort hergibt."

2010 geht es um Perspektiven für die Dorfentwicklung in der Region anhand von Vorbildern aus anderen Regionen. "Der Hunsrück steht immer im Vordergrund. Ab und zu muss man aber mal über den eigenen Gartenzaun gucken", sagt Almuth Brandstätter, Chefin des Hunsrückshauses. Organisator Peter Heil von der Landeszentrale für Umweltaufklärung hat deshalb die unterschiedlichsten Experten in den Hunsrück geholt.

Professor Martina Klärle stellt ihr Konzept "Dorf Komm" vor. Ihr geht es um das Beleben von Dörfern durch das Sparen von Fläche - also die Sanierung des historischen Ortskerns statt der Erschließung von Neubaugebieten.

Einen Blick über den Gartenzaun gewährt den Zuhörern auch Josef Ober aus dem steirischen Vulkanland in Österreich. Für ihn ist Emotion und Leidenschaft ausschlaggebend. "Man muss eine Zukunftsvision kreieren. Das ist die größte Triebfeder für gemeinsames Handeln", fordert er. Das steirische Vulkanland, in dem 79 Gemeinden zusammenarbeiten, habe sich als Marke etabliert. Statt des bis 2010 prognostizierten Bevölkerungsrückgangs von fünf Prozent habe man dort heute ein Plus von einem Prozent.

Fakt im Hunsrück und im Landkreis Bernkastel-Wittlich ist aber, dass die Bevölkerung schrumpft. Immer weniger junge Menschen bleiben in den Dörfern, der Anteil der Alten nimmt zu. 1998 haben im Landkreis noch 25 662 Unter-20-Jährige gelebt. 2008 waren es nur noch 22 914.

Diese Entwicklung macht Tagungsteilnehmerin Agnes Weiß aus Gusenburg Sorgen. Für sie ist die zentrale Frage, ob der ländliche Raum sich für die Zukunft positionieren kann. "Vor allem die qualifizierten Jugendlichen, die bleiben wollen, haben es schwer, hier eine angemessene Arbeit zu finden."

Auch Lutz Güldenberg aus Gräfendhron ist besorgt: "Wenn der Ort in zehn Jahren noch existieren soll, müssen wir einiges tun." Güldenberg kennt das Dorf in der Verbandsgemeinde Thalfang seit 30 Jahren. Er stammt aus dem Ruhrgebiet, fühlt sich auf dem Land aber sehr wohl. "Hier gibt es große Möglichkeiten für junge Leute", sagt er. Sicherheit und Lebensruhe sind die Vorteile aus seiner Sicht. In Gräfendhron engagiert er sich im Gemeinderat, in den er Anregungen von der Tagung einbringen will.

Wirtschaft trifft auf Politik



Neben den Wissenschaftlern und Kommunalpolitikern war Amolak Singh Sound als Wirtschaftsvertreter bei der Tagung eher ein Exot. Er arbeitet für die Firma Jade Naturenergie, die ihr Geld mit Wind- und Solarenergieprojekten verdient. Er interessiert sich für das Thema, weil er früher als Landschaftsarchitekt und in der Dorferneuerung tätig war. Heute ist er aber auch zum Hunsrückhaus gekommen, um Kontakte zu den kommunalen Entscheidern zu pflegen. "Ich wollte die Stimmung hier auffangen", sagt er. In seiner Branche sei häufiger der Fehler gemacht worden, die sozio-kulturelle Struktur auf den Dörfern nicht zu berücksichtigen. Solche Fehler wolle er künftig nicht mehr machen.

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