Im Baustil eines Treppenhauses

Zur Berichterstattung über die historischen Funde auf dem Gelände der geplanten Schlossgalerie in Wittlich schreibt dieser Leser:

Viele Städte Deutschlands sind stolz auf ihre in Holz und Stein geschriebene Geschichte. In Wittlich dagegen wurden und werden seit 1967 viele alte Gebäude, die das Gesicht und den Charme einer Kleinstadt prägen, einfach abgerissen. "Wirtschaftlichkeit" ist das Schlagwort derer, die hier die Macht ausüben.

Nun folgt der nächste Akt: Da die Attraktivität der Altstadt aus vielen Gründen trotz Meistermann-Museums und verkehrsberuhigten Zonen immer weiter sinkt, suchen die überwiegende Mehrheit des Stadtrats und die Stadtverwaltung nach einer Zauberlösung "à la Miraculix".

Der Bau eines Supereinkaufszentrums im Baustil des Treppenhauses der Sparkasse. Albert Klein und Leo Kappes glauben wohl allen Ernstes, eine Magnetfunktion durch einen vermuteten Kaufrausch entdeckt zu haben.

Jetzt ist das Zeitalter der Heuschrecken über Wittlich gekommen. Ein Investor, dessen Augen und Verstand wie ein Taschenrechner funktionieren, ist gerade dabei, sein Renditeobjekt zu verwirklichen, und die von ihm bestellte Bauleitung arbeitet stur wie eine Maschine, geradezu robotermässig, pardon: planmäßig an der schönsten Stelle der Kulturgeschichte Wittlichs. Alles wird zerstört und zur Unkenntlichkeit zermahlen.

Die Verantwortung hat ohne Zweifel hauptsächlich jene Mehrheit des demokratisch gewählten Stadtrats, die diesem Heuschreckenprojekt zugestimmt hat.

Es war wie die letzte Ölung. Die Archäologen konnten zwar noch einiges Hochinteressantes dokumentieren, aber sie haben der Zerstörung keinen Einhalt geboten. Nur: Keiner kann heute noch behaupten, er hätte es nicht gewusst.

Gegen die Dreifältigkeit (!) von politischer Macht, Verwaltung und Investor kann man nichts ausrichten. Und doch: Es ist Wahljahr, und ich setze meine Hoffnung in meine Mitbürger. Denn es kann nicht sein, dass Kultur für Kommerz zerstört wird, sonst verlieren wir alle etwas.

Patrick Bourassin, Wittlich

Stadtgeschichte

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