AUS DEM ARCHIV:Februar 2020 Ein Lichtspielhaus der besonderen Art: Das Moselkino wird 100

Bernkastel-Kues · Im Kino in Bernkastel-Kues werden seit 100 Jahren Filme gezeigt. Neben den üblichen Kassenfüllern gibt es auch besondere Genres. Die eigentliche Besonderheit: Das Haus wird von der Verbandsgemeinde betrieben.

 Das Moselkino wird  in diesem Jahre 100 Jahre alt. Die Besonderheit: Es ist in kommunaler Trägerschaft.

Das Moselkino wird  in diesem Jahre 100 Jahre alt. Die Besonderheit: Es ist in kommunaler Trägerschaft.

Foto: TV/Mosel-Kino GmbH

Die Goldenen 20er Jahre: Das ist ein fester Begriff. Ob sie wirklich so glänzend waren? Bei den oberen Zehntausend in Berlin sicher. Doch im Rest des Landes? Ein bisschen Glanz färbte aber auch auf Bernkastel-Kues ab. Dort eröffnete am 14. März 1920 das erste Lichtspielhaus. Den Begriff „Kino“ gab es offenbar noch nicht. An diesem Tag lief laut Anzeige in der Bernkasteler Zeitung der Riesen-Sensationsfilm „Nero“, ein historisches Kolossalgemälde in acht Akten und zwar gleich dreimal. Damals muss es schon ein Nachtleben in der Stadt gegeben haben, denn die letzte Vorstellung begann an diesem und den folgenden drei Tagen jeweils um 23 Uhr. Auf den Tag genau 100 Jahre später, am 14. März 2020, wird Jubiläum gefeiert.

Geändert hat sich der Ort. Die ersten 18 Jahre war es das Restaurant Ortmann in der Hebegasse. 1938 erwarb Joseph Lorth den jetzigen Sitz: das Gebäude in der Schanzstraße, in dem vorher die Casino-Gesellschaft residierte. In den ersten Jahren des Zweiten Weltkriegs wurde weitergespielt, dann blieb die Leinwand für einige Jahre dunkel. 1948 erfolgte die Wiedereröffnung. 1956 stand eine große Renovierung an. Sie kostete 100 000 Mark – für damalige Verhältnisse eine riesige Summe.

1988 stand das Kino auf der Kippe. Der Besitzer wollte es veräußern. Es drohte die Umwandlung in eine Spielhalle. Verbandsgemeinderat und Stadtrat einigten sich nach anfänglichem Zögern auf einen ungewöhnlichen Schritt. Sie erwarben das Gebäude und bildeten die Mosel-Kino GmbH. 60 Prozent der Anteile hielt die VG, 40 Prozent die Stadt. „Das war, initiiert vom damaligen Bürgermeister Peter Knüpper, eine sehr mutige Entscheidung“, sagt Hermann Lewen, der damals zur Intendanz der Mosel Festwochen (heute Mosel Musikfestival) auch die Kino-Geschäftsführung übernahm und bis Ende 2011 innehatte.

Allein in den ersten zehn Jahren dieser Konstellation kamen fast 600 000 Besucher. Eine gewaltige Zahl für die verhältnismäßig kleine Stadt. In den 1950er und 1960er Jahren müssen es noch mehr gewesen sein. Damals waren Fernseher noch eine Seltenheit. Zahlen liegen nicht vor. „Durch das Fernsehen sind dann aber im Laufe der Zeit etwa 40 Prozent weniger Besucher gekommen“, schätzt Leo Wächter. Der damalige hauptamtliche Beigeordnete der VG und heutige Bürgermeister ist seit 2012 Kino-Geschäftsführer.

Die Besucherzahl ist Schwankungen unterworfen. Ein heißer Sommer und zusätzlich eine Fußball-EM oder WM drücken die Zahlen. Bei der Fußball-WM 2006 im eigenen Land gab es beispielsweise mit 29 992 Gästen den Tiefststand, 2015 ohne EM und WM und mit dem Filmhit „Ziemlich beste Freunde“ waren es 53 036.

Im Laufe der Jahre wurde viel Geld in Sanierung und Modernisierung investiert. „Quasi vom Dach bis in den Keller“, sagt Wächter. Eine neue Lüftungs- und Heizungsanlage, ein Aufzug, ein neues Foyer. Von der neuen Technik in den drei Sälen ganz zu schweigen. Allein für diese Projekte in den Jahren 2003, 2004 und 2005 wurden, so Leo Wächter, mehr als 530 000 Euro investiert.

Auch deshalb wurde in dieser Zeit auch von manchen Seiten gefordert das Kino zu verkaufen. Zudem stieg die Stadt 2004 aus. Die VG ist seither alleiniger Gesellschafter. Längst ist aber wieder Ruhe eingekehrt. Das liegt auch daran, dass das Kino mit seinen insgesamt knapp 240 Plätzen Gewinn abwirft.

Das Programm stellt in erster Linie Annelie Servatius zusammen. Zwei Mal im Jahr ist sie bei den großen Filmmessen in München und Köln. Die Zusammenarbeit mit den Disponenten (Vermittlern) und den Filmverleihern sei sehr gut, berichtet sie. Das erfreuliche Ergebnis für die Besucher: Viele Filme laufen in Bernkastel-Kues zeitgleich zu Kinos in großen Städten an. Nicht dazu gehören, so Leo Wächter, „Gewaltverherrlichung und Schmuddelkino“. Für das kommunale Kino komme das nicht in Frage.

Natürlich sollte die Kasse stimmen. Aber es werden, so Wächter und Servatius, auch Nischen und besondere Angebote gesucht und gemacht. Als da währen: Ladies Movie-Night, Kino Vino, Kirche im Kino, Filmkunst im Kino, Sneak Preview und anderes mehr.

 Charlie Chaplin begrüßt die Gäste im Foyer.

Charlie Chaplin begrüßt die Gäste im Foyer.

Foto: TV/Annelie Servatius
 Die Anzeige aus der Bernkasteler Zeitung macht auf den ersten Film im neuen Kino aufmerksam.

Die Anzeige aus der Bernkasteler Zeitung macht auf den ersten Film im neuen Kino aufmerksam.

Foto: TV/Clemens Beckmann

100 Jahre sind vorbei. Wie geht es mit dem bisher noch einzigen Kino im Kreis Bernkastel-Wittlich weiter? In Wittlich wird, wie berichtet, derzeit ein neues Kino gebaut. „Das ist eine ernstzunehmende Konkurrenz“, sagen Wächter und Servatius. Das könne sich auch auf die Zahlen in Bernkastel-Kues auswirken. Die beiden vertrauen auf das Stammpublikum. Es schätze die Atmosphäre. „Das Kino hat Wohlfühlcharakter“, sagen die beiden Macher, die von einem festangestellten Theaterleiter und mehreren Teilzeitkräften unterstützt werden.

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