In der Heimat keine Chance

WITTLICH. Schlimme Entzündungen und keine Antibiotika: Um zwei angolanischen Jungs ein gesundes Leben in ihrer Heimat zu ermöglichen, beweist das Wittlicher Krankenhaus Herz.

"Erstmalmuss ein Großteil der Unterschenkel-Knochen raus, dann müssen wirsehen, wie wir wieder aufbauen", sagt Herbert Hofmann, Oberarztauf der chirurgischen Station im Wittlicher St. ElisabethKrankenhaus. Ohne seine Hilfe würden sich die Beine seiner beidenkleinen Patienten immer mehr entzünden und vereitern. José (neunJahre) und Jorge (zehn Jahre) leiden an schwerenKnochenentzündungen. Vor knapp zwei Wochen sind die beiden ausihrer Heimatstadt Luanda, der Hauptstadt von Angola, nachDeutschland gekommen. Zu Hause hätten sie keine Chance aufHeilung gehabt. "Die Organisation Friedensdorf International aus Oberhausen hat in unserem Haus nachgefragt, ob wir die Kinder unentgeltlich behandeln würden", sagt der Chefarzt der Kinder-Abteilung, Klaus Mahler. Verwaltungsdirektor Lothar Rünzheimer stimmte sofort zu. Jetzt haben die Kinder, die nur portugiesisch sprechen, die ersten Operationen hinter sich.

Wahrscheinlich ein halbes Jahr in Deutschland

Wären die Kinder früh genug mit Antibiotika behandelt worden, wären die Operationen und damit der Aufenthalt in Deutschland nicht notwendig gewesen. "Aber das Gesundheitssystem in Angola ist desolat", sagt Mahler.

Hofmann rechnet mit zwei Monaten Krankenhausaufenthalt. Anschließend kommen die Kinder bis ihre Wunden vollkommen ausgeheilt sind in die Obhut der Friedens-Organisation. Wahrscheinlich müssen sie ein ganzes Jahr in Deutschland verbringen. Dann dürfen sie wieder nach Hause. Über die Trennung von ihren Familien und Schulkameraden - José besucht die zweite Klasse, Jorge die vierte - tröstet sie Ursula Groll. Die Lehrerin aus Lüxem hat Portugiesisch studiert und übersetzt den Kindern, was mit ihnen passiert. "Beide erzählen nur sehr wenig von zu Hause, der Kleine ist sehr scheu", sagt sie. Die ersten Tage hätten die Kinder viel geweint. Und fragt man José nach seinem Lieblingsfach in der Schule, rollen wieder die Heimwehtränen über seine Backen.

"Ich wollte nicht nach Deutschland, meine Mutter hat gesagt, dass ich gehen muss", sagt der Ältere auf Portugiesisch. Dass er krank ist und ihm in Deutschland geholfen wird, weiß er - seinen Trennungsschmerz lindert das jedoch nicht. Doch die seelischen Narben, die der Kulturschock und die Einsamkeit hinterlassen, werden heilen. Die Knochen-Krankheit könnte unbehandelt jedoch zum Tod führen.

"Bis zu 100 000 Euro müsste man für die Therapie der beiden in unserem Haus abrechnen", sagt Hofmann. "Aber für uns Ärzte stellt sich die Kostenfrage nicht. Es sind jetzt unsere Patienten, und denen helfen wir, basta." Und Arne Schelling, Stationsarzt in der Kinderabteilung, pflichtet bei: "Die Kosten darf man nicht aufrechnen. Vielmehr müssten wir überdenken, ob nicht jeder sich bei Ausgaben für Luxusgüter einschränken könnte, damit mehr Kindern geholfen werden kann - auch in deren Heimatländern."

Hilde Alt, Angestellte im Krankenhaus und Kontaktperson des Friedensdorfs hat einen Besuchsdienst eingerichtet - portugiesisch sprechende und aus Angola stammende Wittlicher wechseln sich Vor- und Nachmittags ab. "Spielzeug brauchen die Kinder nicht - davon haben sie hier und später im Friedensdorf genug. Aber wenn jemand was Gutes für sie tun will: Ein bisschen Geld für ein paar andere Schuhe als die Gummischlappen wäre toll", sagt Alt.

Und wenn es raus geht - etwa zum Zirkus oder zur Viezmühle - oder wenn die elfjährigen Zwillingssöhne von Hilde Alt mit den beiden Patienten spielen, sind die kulturellen und sprachlichen Barrieren vergessen. Zum Rollstuhlrennen im Krankenhausflur bedarf es eben keiner Worte.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort