In Heidenburg geht's ans Eingemachte

Heidenburg · Bürgerinitiative und Gemeinderat liegen in Heidenburg über Kreuz. Der Rat hat in einer teilweise turbulenten Sitzung für Fusionsverhandlungen der Verbandsgemeinde Thalfang mit Morbach gestimmt. Die Bürgerinitiative hat Unterschriften der Mehrheit der Bürger für einen Wechsel des Orts zur VG Schweich gesammelt.

Heidenburg. Ein krasser Gegensatz prägte die Gemeinderatssitzung in Heidenburg. Auf der einen Seite saß der Rat, der geschlossen für Fusionsverhandlungen der VG mit Morbach stimmte. Auf der anderen Seite saß die Bürgerinitiative (BI) "Pro Schweich" und ihre Anhänger. Sie hat 407 Unterschriften für einen Wechsel an die Mosel gesammelt - bei rund 750 Einwohnern.
Kommual Reform


Kein Wunder also, dass es in der halbstündigen Sitzungsunterbrechung, in der die rund 50 Besucher die Möglichkeit hatten, etwas zu sagen, teilweise hoch herging. Maßgeblich beteiligt: Familie Jäger. "Muppetsshow" lautete der von Ratsmitgliedern scharf kritisierte Zwischenruf von Zuhörer Walter Jäger, Bruder des derzeit kranken Ortsbürgermeisters Dietmar Jäger. Lauten Protest vonseiten der Zuhörer erntete der andere Bruder des Ortschefs, Ratsmitglied Berthold Jäger. Der Sozialdemokrat sagte, er fände es schäbig, solch eine Bürgerinitiative zu starten, wenn der Hauptbetroffene sich nicht wehren könne, weil er im Krankenhaus liege. Zuvor war in der Sitzung abgestimmt worden: Alle 13 Ratsmitglieder haben für Verhandlungen mit dem Hunsrück-Nachbarn votiert und damit der Entscheidung des Verbandsgemeinderats (der TV berichtete) entsprochen. Der Beschluss enthielt auch die Forderung, die Eigenständigkeit der Ortsgemeinde zu erhalten.
Die Initiative "Pro Schweich" hat hingegen einen Bürgerentscheid für einen Wechsel des Orts an die Mosel beantragt, der derzeit von der Verwaltung geprüft wird. BI-Initiator Kai Eiserloh betonte, dass die BI damit nicht den Rat angreifen, sondern dem Willen der Bürger Gehör verschaffen wolle. Er forderte, die Bürger sollten bei der Kommunalreform mitentscheiden und kritisierte, dass bislang zu wenig aufgeklärt worden sei. Eiserloh wehrte sich gegen Berthold Jägers Vorwurf, er und seine Mitstreiter hätten falsch informiert, als sie die Unterschriften für den Entscheid gesammelt hätten. Zum Vorwurf, die Initiative habe den Bürgerentscheid fehlerhaft beantragt, meinte Eiserloh: "Wir sind auf dem Dorf. Wieso muss man immer alles so genau nehmen?"
Berthold Jägers Hauptkritik war allerdings eine andere. Das Ratsmitglied monierte, dass die BI allein mit Bauchargumenten für ihre Sache streite. Nötig sei eine aber eine Analyse der Möglichkeiten. Jäger verwies wie Bürgermeister Hans-Dieter Dellwo auf die etwa 5,5 Millionen Euro für Investitionen in Schule, Feuerwehr und Kläranlage, die in den vergangenen 20 Jahren von Kreis und VG nach Heidenburg geflossen seien.
Er stellte infrage, ob dies im Kreis Trier-Saarburg so weitergehen würde. "Gefährdet nicht die Zukunft des Dorfes", mahnte Jäger und plädierte dafür, mit der VG solidarisch zu sein. Auch Dellwo hat in der Sitzung die Meinung vertreten, das Beste für die Ortsgemeinden sei nur zu erreichen, wenn die VG Thalfang zusammenhalte. Heidenburg sei besser in einer großen Hunsrück-Gemeinde aufgehoben als an der Mosel, wo die Interessenlage eine ganz andere sei. Es gehe nicht um Fragen der Sympathie für Krankenhäuser und ähnliches, sondern um eine Verwaltungseinheit.
Dellwo lobte aber auch das Engagement der Initiative und sagte: "Es gehört zur Demokratie, dass Bürger ihre Meinung sagen."
Alexander Becker von der CDU stellte die Frage, welches Gewicht die Heidenburger in einer VG Schweich mit 25 000 Einwohnern hätten.
Allen Argumenten zum Trotz macht die Bürgerinitiative weiter. Sie will sich laut Eiserloh nun beraten lassen, wie sie den Antrag für einen Bürgerentscheid korrekt auf den Weg bringt.Meinung

Auch der Rat muss sachlich bleiben
Der Gemeinderat sollte beherzigen, was er von der Bürgerinitiative verlangt. Er oder zumindest Fürsprecher Berthold Jäger fordert sachliche Argumente statt emotionaler Appelle, wenn es um die Strategien im Rahmen der Kommunalreform geht. Doch was machen Rat und auch Bürgermeister Hans-Dieter Dellwo? Sie drohen mit diffusen Argumenten, dass sich für Heidenburg in einer VG Schweich vieles verschlechtern würde. Dabei können sie die Folgen dieses Szenarios genauso wenig abschätzen wie die Folgen ihres Votums für Verhandlungen mit Morbach. Sie können ja momentan noch nicht mal sicher sagen, ob eine solche Fusion noch aus eigenem Antrieb in der Freiwilligkeitsphase bis Mitte 2012 erfolgt oder danach vom Land erzwungen wird oder doch noch etwas ganz anderes passiert. Das Problem ist, dass die Zeit zu knapp ist, die Möglichkeiten Heidenburgs und der VG Thalfang wirklich auszuloten. Deshalb drücken Rat und Bürgerinitiative auf die Tube. Der Rat sollte ehrlich sein: Sichere Aussagen sind derzeit nur über die Vergangenheit möglich, also beispielsweise darüber, wie viel Geld in diesem und in anderen Kreisen in Ortsgemeinden geflossen ist. In diesem Punkt wurden bislang aber nur Zahlen für den Kreis Bernkastel-Wittlich genannt. Das ist zu wenig für sachliche Information und eine offene Diskussion, die Heidenburg nun dringend braucht. m.maier@volksfreund.de
Extra: Die Stimme des Ortsbürgermeisters


Heidenburgs Ortsbürgermeister Dietmar Jäger wird derzeit in einer Klinik behandelt. Beigeordneter Rudolf Junk, der statt seiner die Ratssitzung leitete, wünschte dem Ortschef gute Besserung. Er hoffe, dass Jäger die nächste Sitzung wieder selbst leite, sagte Junk. Ratsmitglieder wie Zuschauer klopften als Zeichen der Zustimmung. Eine Botschaft des Ortschefs überbrachte dessen Bruder Berthold Jäger. Demnach hat Dietmar Jäger gesagt, es komme ihm vor, als habe er 20 Jahre lang eine Burg im Sandkasten aufgebaut, die nun innerhalb von 14 Tagen zerstört werden solle. Berthold Jäger lobte seinen Bruder auch. Er sagte: "Wir können stolz auf die Errungenschaften Heidenburgs sein. Die Initiative ging meist von meinem Bruder Dietmar aus." mai

Bürger fühlen sich schlecht informiert

Viele Zuhörer diskutierten nach dem Punkt Kommunalreform der Heidenburger Gemeinderatssitzung in der Gaststätte Zur Linde weiter - an der Theke. Ein paar Stimmen:

Wolfgang Nassem : "Die Bürgerinitiative hätte vorher Unterschriften sammeln sollen und zwar für eine Bürgerversammlung, auf der informiert wird. Ich habe zum ersten Mal davon gehört, dass die Bildung einer VG mit einer großen Gemeinde Morbach und 21 Thalfanger Ortsgemeinden möglich ist. Dass die Bürgerinitiative so viele Unterschriften zusammenbekommen hat, verstehe ich. Die Leute haben Angst davor, dass Heidenburg ein Anhängsel der Einheitsgemeinde Morbach wird und den Status der Ortsgemeinde verliert."
Karoline Clüsserath: "Ich bin froh, dass eine Diskussion durch die Bürgerinitiative ,Pro Schweich' in Gang gekommen ist. Ich hätte mir früher mehr Informationen gewünscht."
Jürgen Amberg, Reinhold Reusch und Dieter Alt sagen übereinstimmend: "Bislang haben der Verbandsgemeinde- und der Ortsgemeinderat gute Arbeit für Heidenburg geleistet."
Alt meint weiter: "Heidenburg gehört zu Schweich und an die Mosel. Wieso hat es nicht vorher Sondierungsgespräche mit Schweich gegeben?"
Reusch: "Ich denke, der Verbandsgemeinderat hat das Thema Kommunalreform ausgesessen. Bald wird Mainz entscheiden. Ich fühle mich schlecht informiert über dieses Thema."
Amberg: "In der Gemeinderatssitzung haben die Zuhörer nur eine halbe Stunde Zeit bekommen, über das Thema Kommunalreform zu diskutieren. Das ist wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Und wieso wählen wir den Gemeinderat? Damit die Ratsmitglieder das machen, was wir wollen. Das ist hier nicht der Fall." mai

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