Recht Bauherr darf hoch hinaus

Rivenich · In Rivenich hat sich ein Häuslebauer über die vom Gemeinderat festgelegte Traufhöhe hinweggesetzt. Das Verwaltungsgericht stärkt ihm nun den Rücken und weist die Klage der Gemeinde ab.

 Die Traufhöhe dieses Hauses in Rivenich war Gegenstand von Diskussionen und Gerichtsverhandlungen. TV-Foto: Klaus Kimmling

Die Traufhöhe dieses Hauses in Rivenich war Gegenstand von Diskussionen und Gerichtsverhandlungen. TV-Foto: Klaus Kimmling

Foto: klaus Kimmling/Klaus Kimmling

Es sind nicht 57 Zentimeter geworden, so wie es der Ortsgemeinderat genehmigt hatte, sondern insgesamt 93 Zentimeter: Um dieses Maß überschreitet der Abstand zwischen Boden und Regenrinne einer neugebauten Stadtvilla in Rivenich die im Bebauungsplan festgelegte Traufhöhe von 3,75 Metern (der TV berichtete). Dabei hatte der Ortsgemeinderat den Bauherren bereits im Nachtrag eine Überschreitung der Traufhöhe von 57 Zentimetern genehmigt. Wegen einem „Baufehler“ - so erklären es die Bauherren, sei das Haus letztlich aber 93 Zentimeter höher geworden als genehmigt.

Die Vorgeschichte Eine weitere Überschreitung wollte der Ortsgemeinderat den Bauherren allerdings nicht durchgehen lassen und verweigerte eine nachträgliche Baugenehmigung. Doch auf höherer Ebene entschied der Rechtsausschuss des Landkreises, dem Bauherren müsse die Genehmigung erteilt werden. Die Begründung: Die Abweichung in der Höhe sei städtebaulich vertretbar. Diesen Widerspruch des Kreisausschusses wollte der Ortsgemeinderat allerdings nicht akzeptieren und klagte vor dem Verwaltungsgericht Trier. Ob er damit besser beraten war? Das Verwaltungsgericht hat nun sein Urteil verkündet: „Die Klage ist zulässig, aber unbegründet“, ist darin zu lesen und „wird abgewiesen“. Also eine volle Breitseite vor den Bug der Ortsgemeinde?

Der Ortsbürgermeister „Diese Entscheidung ist ohne Zweifel enttäuschend. Ich kann das Urteil nicht nachvollziehen“, sagt der Ortsbürgermeister Peter Knops. Er fürchtet, dass damit ein Präzedenzfall geschaffen werde. „Wir können keine andere als die festgelegte Höhe dulden“, sagt er, sonst komme morgen ein anderer Bauherr und fordere eine Überschreitung von 1,5 Metern. „Bei der Festlegung der Traufhöhe haben wir uns schon etwas gedacht. Was sollen denn jetzt die anderen Bauherren denken, die sich an den Bebauungsplan im Neubaugebiet Auf Sordel gehalten haben?“ Bis zu einer Höhe von 60 Zentimetern habe der Ortsgemeinderat ja sogar alle Anträge auf Überschreitung genehmigt, sagt Knops. „Damit sich niemand ungerecht behandelt fühlt, können wir aber nicht willkürlich vorgehen oder entscheiden.“ Deshalb habe sich der Rat auf eine vertretbare Linie und Höhenbegrenzung geeinigt, erklärt der Ortsbürgermeister, „die jeder Bürger versteht.

Der Bauherr Auf der anderen Seite stehen die Interessen der Bauherren, denen sowohl der Landkreis als auch das Verwaltungsgericht den Rücken gestärkt haben. „Wir sind froh, dass das Gericht so entschieden hat“, sagt Sandra Kohl, die mit ihrer Familie in ihrer etwas zu hoch ausgefallenen Stadtvilla im Rivenicher Neubaugebiet Auf Sordel wohnt. Die Gemeinde sei immer weiter gegangen und habe geklagt, obwohl schon der Kreisrechtsausschuss festgestellt habe, dass eine einmalige Höhenüberschreitung keine Tür und auch kein Tor für weitere Nachahmer öffne. „Unser Einzelfall hat keine Bindung für weitere Bauten.“

Und schließlich sei die Höhenüberschreitung nicht vorsätzlich, sondern durch einen „Baufehler“ zustande gekommen. „Wir haben der Ortsgemeinde sogar angeboten, eine finanzielle Strafe zu zahlen“, erklärt die Bauherrin. Doch der Rat habe abgelehnt. Was auch nicht ganz unerheblich ist: Die baurechtliche Auseinandersetzung habe in der Nachbarschaft ihre Spuren hinterlassen, sagt die Bauherrin. Kohl: „Warum hat sich der Ortsgemeinderat nicht dem Beschluss des Kreis­ausschusses gefügt?“

Das Urteil Zwischen all den Gesetzesvorgaben, Ansprüchen und Befindlichkeiten hat nun das Verwaltungsgericht Trier sein Urteil gesprochen und die Klage der Ortsgemeinde abgewiesen.

Doch warum stellt sich das Gericht auf die Seite der Bauherren? Im Urteilstext heißt es dazu: Es sei nicht ersichtlich, welche Intention die Gemeinde mit der Festsetzung der Traufhöhe im Bebauungsplan verfolge. Zudem werde das planerische Grundkonzept der Ortsgemeinde, das allen übereinander im Hang angeordneten Baustellen eine Aussicht über den Ort ermöglichen soll, durch diesen Einzelfall nicht tangiert. „Die Sichtbeziehungen“ der umliegenden Häuser würden sich überwiegend aus der Gesamtgebäudehöhe ergeben. Allein die Traufhöhe, der Abstand zwischen Boden und Regenrinne, sei bei der Stadtvilla höher als im Bebauungsplan vorgesehen. Die Firsthöhe unterschreite sogar die zulässige Gesamtgebäudehöhe im Neubaugebiet, heißt es im Urteil.

Die Überschreitung der Traufhöhe, so urteilte das Verwaltungsgericht, sei städtebaulich aber vertretbar. Deshalb habe die Ortsgemeinde dem Bauherren ihr „Einvernehmen rechtswidrig verweigert“. Die Kosten des Verfahrens habe die Ortsgemeinde zu tragen.

Der Ausblick  Der Ortsgemeinderat möchte sich nun erneut juristisch beraten lassen und eine mögliche Revision vor dem Oberverwaltungsgericht prüfen. „Wenn die Entscheidungen, die wir treffen, und die Bebauungspläne, die wir aufstellen, alle hinfällig sind, was machen wir dann noch hier“, fragt ein Ortsgemeinderatsmitglied, das seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. „Warum sollen wir uns dann noch ehrenamtlich engagieren und unsere Freizeit opfern?“ Da sei es doch kein Wunder, wenn sich kaum mehr Mitglieder mehr für Ortsgemeinderäte fänden.

(Christian Moeris)
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