Internet bringt Familien zusammen

Zeltingen-Rachtig · In Zeltingen-Rachtig lebt die Epoche der Auswanderer, die um 1850 ihre Heimatorte in der Region in Richtung Amerika verließen, wieder auf. Den Anstoß gaben zwei Ahnenforscher, die sich übers Internet kennenlernten.

 Im Hof eines 1647 erbauten Hauses hat Jim Schultz, Nachfahre Zeltinger Auswanderer, etwa 20 Verwandte kennengelernt. Eingeladen habt den US-Amerikaner, hier mit Ehefrau Donna Menzer und einem Familienfoto, der Ahnenforscher Werner Weber (mit Stammbaum hinten). TV-Foto: Ursula Schmieder

Im Hof eines 1647 erbauten Hauses hat Jim Schultz, Nachfahre Zeltinger Auswanderer, etwa 20 Verwandte kennengelernt. Eingeladen habt den US-Amerikaner, hier mit Ehefrau Donna Menzer und einem Familienfoto, der Ahnenforscher Werner Weber (mit Stammbaum hinten). TV-Foto: Ursula Schmieder

Zeltingen-Rachtig. Wenn die Steine alter Mauern erzählen könnten, würden in Zeltingen-Rachtig sicher etliche Häuser unentwegt plappern. So etwa ein 1647 erbautes Fachwerkhaus in der Zeltinger Kurfürstenstraße. Im Hof des Hauses trafen sich Menschen, deren Vorfahren dort vor etwa 160 Jahren täglich vorbeigegangen sein dürften.
Viele von ihnen kehrten wie damals Tausende aus der ganzen Region ihrer Heimat um 1850 den Rücken. In der Hoffnung, ihrer Chancenlosigkeit infolge von Armut, Hungersnöten und Behördenwillkür zu entkommen, wanderten sie nach Amerika aus. Der Traum von einem besseren Leben sollte sich für etliche von ihnen erfüllen. Darunter auch Elisabeth Ames und Christoph Scheer (siehe Extra).
dorf geschichte(n)


Ihr Ur-Ur-Enkel Jim (James) Schultz hat nun seine deutschen Verwandten besucht. Die Geburtshäuser seiner Vorfahren sind zwar modernen Bauten gewichen - doch er weiß nun, wo sie standen. "Ich bin sehr glücklich", sagte er bei dem Treffen mit rund 20 Nachkommen von Geschwistern der Auswanderer. Es sei sehr aufregend, eines seiner Lebensziele nun erreicht zu sehen. Und das nur ein Jahr, nach seinem Besuch in Weimar, von wo ebenfalls Vorfahren stammten.
Er habe dort zwar deren Haus gesehen, aber "keine Verwandten - nichts". Umso mehr freuen ihn die vielen Zeltinger "relatives", die Ahnenforscher Werner Weber zusammentrommelte. Da Schultz dem gleichen Hobby frönt, lernte er den Eigentümer des 1647 erbauten Hauses übers Internet kennen.
Seinen Verwandten erzählte er, wie es seinen Vorfahren damals erging. Sein Großvater habe das Glück gehabt, die Schlacht von Gettysburg (1863), bei der vier von fünf Soldaten fielen, zu überleben. In Sheboygan, wo auch er heute lebt, sei noch bis 1934 Deutsch gesprochen worden. Das änderte sich, als Hitler am 2. August auch noch das Amt des Reichspräsidenten übernommen hatte.
Einer seiner Zeltinger Verwandten ist Theo Scheer (82), dessen Urgroßvater ein Bruder von Christoph Scheer war. "Mein Vater hat immer vom Besuch zweier Großcousins aus Amerika erzählt", erinnert er sich. Das war 1906, als sein Vater zehn Jahre alt war.
Durch den Ersten Weltkrieg riss der Kontakt dann wieder ab. Dass Jüngere nun erneut "Kontakte zur Heimat pflegen wollen", freut Scheer daher sehr. Die meisten Verwandten wussten jedoch bisher nichts von den Verbindungen nach Amerika. Eva-Maria Scheer (64) und Marga Scheer (60) stöberten gleich in alten Fotos, als sie davon hörten. Dabei entdeckten sie sogar einen handgeschriebenen Stammbaum mit den Namen ihres ausgewanderten Vorfahren, eines Bruders ihres Ur-Ur-Opas. Auch Stefan Kappes (44) war überrascht: "Das ist richtig spannend, dass das nun wieder auflebt." Anna-Lena Ames (15) befasste sich erst kürzlich im Schulunterricht mit dem Thema Auswanderer im 19. Jahrhundert. Nun zu hören, dass das auch die eigene Familie betreffe, mache das für sie noch viel interessanter.Extra

Elisabeth Ames und Christoph Scheer verließen 1854 ihren Heimatort Zeltingen in Richtung Nordamerika. Zusammen mit zwei Kindern im Alter von elf und acht Jahren. Vier weitere starben bereits im Kindesalter. Ihr 1818 geborener Vater und seine zwei Jahre jüngere Frau hatten früh ihre Eltern verloren. Gänzlich ins Ungewisse fuhren sie aber wohl nicht, weil eine Kousine bereits Jahre zuvor nach Amerika ausgewandert war. Außerdem verließen mit dem gleichen Schiff viele Menschen aus der Region und auch aus Zeltingen und Rachtig ihre Heimat. Das Ehepaar lebte in Sheboygan, zwei Stunden nördlich von Chicago, im Bundesstaat Wisconsin. In der für ihre Bratwurst und ihren Käse bekannten Stadt lebt auch ihr Ur-Ur-Enkel Jim (James) Schultz, der nun weitläufige Verwandte in Zeltingen-Rachtig besuchte.urs

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort