Interview Thalfanger VG-Bürgermeisterin Vera Höfner: „Land lässt Zeit ungenutzt verstreichen“

Thalfang · Die Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Thalfang, spricht über ihr erstes halbes Jahr im Amt und ihre größte Herausforderung.

 Die Windklangskulptur  am Erbeskopf ist das Wahrzeichen der Verbandsgemeinde Thalfang.

Die Windklangskulptur  am Erbeskopf ist das Wahrzeichen der Verbandsgemeinde Thalfang.

Foto: Ilse Rosenschild

Seit knapp sechs Monaten ist Vera Höfner (CDU) Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Thalfang. Grund genug, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Im Gespräch mit dem Trierischen Volksfreund geht es um Erfolge, Herausforderungen, die hohe Verschuldung der Verbandsgemeinde und die stockende Kommunalreform. Zum Erreichen ihrer Ziele hat sie nur begrenzt Zeit. Denn sie ist  nur auf fünf Jahre gewählt.

Frau Höfner, wie fällt Ihre eigene Bilanz nach rund 180 Tagen aus?

Vera Höfner: „Weiterhin bin ich positiv gestimmt. Wir haben uns viel vorgenommen. Die Situation in der Verbandsgemeinde Thalfang ist schon ziemlich individuell, schwierige Rahmenbedingungen. Es gibt viele bedeutende Themen, die uns seit vielen Jahren begleiten, Probleme, die ungelöst sind und weiterhin zur Beratung anstehen, wie beispielsweise die hohe Verschuldung oder die ungelöste Kommunal- und Verwaltungsreform. Wir sind gefordert, jeden Tag auf’s Neue Lösungen zu finden.“

Was ist aus Ihrer Sicht der schönste Erfolg in dieser Zeit?

Höfner: „Es gibt nicht den einen schönsten Erfolg. Es gibt viele, kleine Erfolge, die mich motivieren. Wir haben unter den Pandemiebedingungen sehr schnell Hygienekonzepte entwickelt, umgesetzt und unsere Einrichtungen sicher öffnen können, wie beispielsweise unser Erholungs- und Gesundheitszentrum, als das möglich war, oder jüngst die kommunale Teststation. Auch über die erfolgreiche Planung und Fortsetzung des ErbeskopfBike Marathon 2021 in neuer Form – mit dem Fokus auf den sportlichen Teil – freuen wir uns sehr. Am Schönsten sind direkte Reaktionen aus der Bevölkerung, wenn Menschen sagen: ,Prima, das habt Ihr gut gemacht.’“

Und was war in der Zeit Ihre größte Herausforderung?

Höfner: „Das ist und bleibt die Pandemie, mit der wir seit vergangenem Jahr zu kämpfen haben. Zu Beginn haben wir nicht genau gewusst, welche Auswirkungen Corona vor Ort haben kann. Inzwischen haben wir Erfahrungswerte im Umgang mit der ständig wechselhaften Lage, aber auch eine völlig neue Situation, bedingt durch die Mutationen. Wir müssen wie im vergangenen Jahr weiter auf Sicht fahren. Bislang sind wir sehr gut durch die Pandemie gekommen. Es gibt in der Verbandsgemeinde eine sehr überschaubare Anzahl von Fällen. Ich hoffe, dass das so bleibt.“

Sie haben zunächst als Erste Beigeordnete die Amtsgeschäfte in der VG Thalfang geführt, dann als Bürgermeisterin. Gibt es da aus Ihrer Sicht einen Unterschied?

Höfner: „Selbstverständlich gibt es da einen Unterschied. Als Bürgermeisterin habe ich viele neue Aufgaben. In einigen Zweckverbänden ist es guter Brauch, dass die Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde dem Zweckverband vorsteht. Als Vorsteherin des Zweckverbandes Erbeskopf und dem ZV Kita Berglicht bin ich daher erst als Bürgermeisterin gewählt worden. Aber es gibt auch Projekte, die in der Zeit der Vakanz, als es keinen Bürgermeister gab, noch nicht angestoßen wurden. Zum Beispiel liegen aktuelle Anfragen zu neuen Vorhaben von Gewerbetreibenden vor, die konkrete Investitionen in unsere Region anstreben.“

Was sind das für Vorhaben?

Höfner: „Projekte, insbesondere im touristischen Bereich, die einer längeren Planungsphase bedürfen.“

Als neue Bürgermeisterin haben Sie eine schwere Aufgabe übernommen, eine Verbandsgemeinde zu führen, die es wegen der Kommunal- und Verwaltungsreform in absehbarer Zeit nicht mehr geben soll. Seit mehr als einem Jahr gab es kein substanzielles Gespräch mehr zwischen den Verantwortlichen in Mainz und den Bürgermeistern der betroffenen Verbandsgemeinden und der Einheitsgemeinde Morbach. Ärgert Sie das nicht kolossal?

Höfner: „Von Ärger möchte ich nicht sprechen. Es ist nicht förderlich, die Politik nach Emotionen auszurichten. Bis 30. Juni 2017 sollten Beschlüsse in unseren Gremien herbeigeführt werden, wie aus unserer Sicht die Kommunal- und Verwaltungsreform umgesetzt werden kann und die als Beratungsgrundlage dienen. Diese Beschlüsse haben wir gefasst. Seitdem ist von Seiten der Landesregierung so viel Zeit ungenutzt verstrichen.“

Wie treiben Sie die Kommunalreform voran?

Höfner: „Sehr aktiv jedenfalls, denn ich sehe die Notwendigkeit der Umsetzung. Wir sind in Thalfang im Vergleich zu anderen Häusern eine kleine Verwaltung. Rathäuser, die eine gewisse Größe haben, können wesentlich effektiver arbeiten. Es gibt dort wegen der größeren Zahl an Mitarbeitern die Möglichkeit, dass diese sich spezialisieren. In Thalfang müssen sie eher Generalisten sein. Und man hofft, dass in größeren Einheiten auch Geld gespart werden kann. Ob das so ist, bleibt abzuwarten. Wir machen jedenfalls aus der langwierigen, nicht geklärten Lage der Kommunal- und Verwaltungsreform das Beste.“

Was machen Sie konkret in der Angelegenheit?

Höfner: „Schon als Erste Beigeordnete und später als Bürgermeisterin habe ich einen regen Schriftverkehr in der Sache geführt und stetig neue Impulse gesetzt. Die Gespräche, die uns für Januar 2021 zugesagt wurden, fanden nicht statt. Das ist enttäuschend für alle Beteiligten vor Ort. Ich sehe eine große Gefahr: Je mehr Zeit vergeht, umso größer ist das Risiko, dass Beschlüsse einzelner Ortsgemeinden bezüglich ihrer Wunschpartner künftig keinen Bestand mehr haben.“

Der Stillstand bei der Kommunalreform führt auch zu einer erhöhten Fluktuation im Rathaus, Wie ist die Lage derzeit? Und was können Sie tun, um diese zu verringern?

Höfner: „Neben der stockenden Kommunalreform spielen weitere Faktoren eine Rolle, wie das Thema Fachkräftemangel in den Verwaltungen einhergehend mit größerer Wechselbereitschaft. Auch Elternzeiten haben nichts mit der Kommunalreform zu tun. Wir haben ein tolles Team, viele engagierte Leute, viele Menschen mit 25, 30 und 40 Jahren Betriebszugehörigkeit und sogar zwei Mitarbeiter, die aus dem Ruhestand zurückgekehrt sind, um kurzfristig einzuspringen. Ich habe von keinem einzigen Fall Kenntnis, wo jemand ausschließlich im direkten Bezug zu der stockenden Kommunalreform gekündigt hat. Die Lage hat sich inzwischen etwas entspannt. Zwei ehemals vakante Fachbereichsleitungen – die Bauabteilung und die Werke – sind neu besetzt und gut eingearbeitet.“

Aber Sie tun noch mehr?

Höfner: „Wir bilden verstärkt selber aus, um Nachwuchs zu generieren. Wir haben derzeit fünf Azubis, zwei in der Verwaltung, zwei in den Werken und einen im Erholungs- und Gesundheitszentrum. Zudem achten wir verstärkt darauf, unseren Mitarbeitern Perspektiven und Entwicklungsmöglichkeiten im Haus zu bieten.“

Viele der 21 Ortsgemeinden konnten ihre Haushalte erst sehr spät verabschieden, manche erst im Dezember 2020.

Höfner: „Das Jahr 2020 ist nicht vergleichbar mit anderen Jahren. Natürlich haben da die geballten Neubesetzungen eine Rolle gespielt. Teilweise ist das aber auch der Pandemie geschuldet. Auch die Ortsgemeinden waren vor Herausforderungen gestellt, offene Fragen waren zu klären. Etwa unter welchen Voraussetzungen Sitzungen stattfinden können. Der Verzug begleitet uns ein Stück weit auch in diesem Jahr. Wir arbeiten daran, dies aufzuholen.“

Nach wie vor lehnt der Kreis es ab, wie bei anderen weiterführenden Schulen die Trägerschaft der Erbeskopf Realschule plus in Thalfang zu übernehmen. Sie sitzen im Kreistag. Ihre Partei, die CDU, stellt dort die stärkste Fraktion. Warum konnten Sie das Gremium nicht davon überzeugen, dass eine Übernahme der Trägerschaft sinnvoll ist?

Höfner: „In der Kreistagssitzung habe ich bewusst für die Übernahme gestimmt. Im Vorfeld habe ich viele Gespräche geführt und auch mit der Kreisverwaltung in regem Austausch in der Sache gestanden. Immerhin haben wir einen Teilerfolg erzielt: Der Kreistag hat beschlossen, die laufenden Kosten der Schule künftig in voller Höhe zu übernehmen. Aber die große Frage ist ja nicht die Übernahme der Trägerschaft. Die entscheidende Frage ist, inwieweit die Schulden, die im Zusammenhang mit der Sanierung der Erbeskopf-Realschule plus entstanden sind, vom Kreis übernommen werden. Es bleibt weiterhin eine Ungleichbehandlung.“

Warum?

Höfner: „Alle weiterführenden Schulen befinden sich mittlerweile in Trägerschaft des Kreises, nur unsere Erbeskopf-Realschule nicht. Es geht weiterhin um die Frage der Schuldenübernahme. Im Verbandsgemeinderat Thalfang waren wir uns damals einig, dass wir den Schulstandort erhalten und sanieren. Die Schuldenlast für unsere Schule müssen wir seitdem größtenteils (rund elf Millionen Euro) alleine schultern, solange die Kommunal- und Verwaltungsreform nicht geklärt ist. “

Stichwort Schulden: Thalfang ist die am höchsten verschuldete Verbandsgemeinde in Rheinland-Pfalz. Die Schuldenlast zu reduzieren, ist auch keine einfache Aufgabe.

Höfner: „Es ist richtig, die Verbandsgemeinde Thalfang ist die am höchsten verschuldete Kommune in Rheinland-Pfalz. Das resultiert unter anderem auch aus der Generalsanierung der Schule. Hintergrund ist auch, dass wir nicht über die gleichen Einnahmen verfügen, aber die gleichen Aufgaben zu erfüllen haben wie andere Kommunen. Ein Hoffnungsschimmer ist das Urteil des Verfassungsgerichtshofes Koblenz, der den kommunalen Finanz­ausgleich für unvereinbar mit der Landesverfassung hält. Das Land ist gefordert, bis Januar 2023 eine Neuregelung zu schaffen, die den aufgabenbezogenen Finanzbedarf der Kommunen besser berücksichtigt.“

Sind angesichts der Schuldenlast nicht auch Einschnitte bei der Infrastruktur nötig?

Höfner: „Es gilt der Grundsatz der gleichwertigen Lebensverhältnisse. Bei den Pflichtaufgaben können wir nicht kürzen. Und bei den freiwilligen Leistungen gilt es sorgsam abzuwägen. Zudem können wir nicht frei entscheiden, die übergeordneten Behörden sprechen ein gewichtiges Wort mit. In jedem Fall werden wir Fördermöglichkeiten und Synergien nutzen und kleine Schritte machen, um die Schuldenlast zu reduzieren. Aktuell sanieren wir in einem ersten Bauabschnitt die Umkleiden und sanitären Anlagen der Schulsporthalle in Thalfang, gefördert zu 80 Prozent aus Bundesmitteln.

Als Sie Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Thalfang wurden, wurde im Oktober ihre bisherige Position als Erste Beigeordnete frei und ist noch nicht wieder besetzt. Der vorgeschlagene CDU-Kandidat erhielt keine Mehrheit. Müssen Sie angesichts einer solchen Situation nicht fürchten, dass die Arbeit im Verbandsgemeinderat schwieriger wird?

Höfner: „Nein. In unserem Verbandsgemeinderat ist ein breites Spektrum vertreten, insgesamt sechs Gruppierungen und ein Einzelratsmitglied. Wichtig ist, dass wir Mehrheiten für sachgerechte Lösungen finden. Ich gehe davon aus, dass der Verbandsgemeinderat seine Entscheidungen weiterhin an der Sache orientiert. Das haben wir all die Zeit so praktiziert.“

Eine große Rolle in der Verbandsgemeinde Thalfang spielt das Nah­erholungsgebiet Erbeskopf. Völlig überraschend musste in diesem Winter für längere Zeit der komplette Bereich wegen Schneebruchs und Corona gesperrt werden. Das wirft Probleme auf, auch weil dann Einnahmen fehlen. Rechnen Sie auch künftig mit solchen Situationen? Und wie wollen Sie Ihnen begegnen?

Höfner: „Die Situation am Erbeskopf in diesem Winter war eine Ausnahmesituation, die mit der Pandemie verknüpft war. Aufgrund von Corona hatten die Menschen keine Möglichkeit, Orte zu bereisen, wie sie es in anderen Jahren getan haben. Unser Naherholungsgebiet Erbeskopf verfügt nicht über die räumlichen, sachlichen und personellen Kapazitäten für einen derartigen Massenansturm, wie wir ihn in diesem Winter erlebt haben. Der Zulauf war so groß, dass Rettungswege abgeschnitten waren. Das geht auch ohne Pandemie nicht. Hinzu kam die erhebliche Schneebruchgefahr. Die beiden zuständigen Kreise – Bernkastel-Wittlich und Birkenfeld – sowie der Landesbetrieb Mobilität haben in Absprache mit uns aus den genannten Gründen den Bereich gesperrt. Wir arbeiten an einem Konzept, dass die Situation in der nächsten Wintersportsaison wieder in geordneten Bahnen verläuft. Und ich bin optimistisch, dass uns das gelingt.“

Am Erbeskopf gibt es nicht nur Wintersport. Auch ganzjährig hat das Erholungsgebiet einiges zu bieten, etwa für Mountainbiker. Erst vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass der Erbeskopf Marathon wieder stattfindet. Kann die Pandemie da noch einen Strich durch die Rechnung machen?

Höfner: „Wir arbeiten daran, dass wir den ErbeskopfBikeMarathon in geänderter, auf die Pandemie angepassten Form – mit dem Fokus auf den sportlichen Teil – durchführen können. Gleiches gilt für den Betrieb der Sommerrodelbahn, den Trailpark und unsere Traumschleifen. Wir freuen uns, wenn unsere hervorragenden, touristischen Angebote wieder genutzt werden können und blicken zuversichtlich nach vorne!“ 

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