Irrationale Angst

WITTLICH. Der Jahresbericht 2003 über die Entwicklung der Jugendkriminalität der Polizeidirektion Wittlich spezifiziert auch zwischen deutschen und nichtdeutschen Tatverdächtigen. Bei den Delikten gibt es keine Unterschiede.

Statistiken machen keinen Unterschied nach Vorurteilen. So steht im aktuellen Bericht der Polizeidirektion Wittlich, der die Kreise Bernkastel-Wittlich ohne Morbach, Bitburg-Prüm, Daun und Zell abdeckt: "Bezüglich der Deliktschwerpunkte unterscheiden sich die unter 21-jährigen ausländischen Tatverdächtigen grundsätzlich nicht von ihren gleichaltrigen deutschen Altersgenossen." Einen Unterschied gibt es allerdings: "Einzig die Verstöße gegen das Ausländer- und Asylverfahrensgesetz erscheinen mit 18 Tatverdächtigen an vierter Stelle bei den Deliktschwerpunkten." Im Gegensatz zu den deutschen Jugendlichen, bei denen ein kontinuierlicher Anstieg bei den Gewaltdelikten festgestellt wurde (der TV berichtete) , gibt es bei ausländischen Jugendlichen unter 21 Jahren, die bei der Polizei aktenkundig wurden, keine "nennenswerten Ausschläge". Von den insgesamt 1773 in die Statistik eingegangenen jungen Menschen waren es im Jahr 2003 189 junge Ausländer.Nicht von Einzelnen auf Allgemeinheit schließen

Zu der Frage inwieweit junge Deutsche russischer Herkunft auffällig würden, sagt Hubert Lenz, Beauftragter für Jugendfragen bei der PD Wittlich: "Das ist nicht ganz einfach. Es sind Deutsche, die nicht gesondert in der Statistik erfasst werden, und es gibt keine repräsentative Aussagen. Aus der Erfahrung kann ich sagen, dass sie bei bestimmten Gewalt- und Drogendelikten überrepräsentiert sind." Der Fachmann für Jugendkriminalität bei der Polizeidirektion Wittlich stellt klar: "Vieles beruht in der Öffentlichkeit auf einem subjektiven Eindruck. Objektiv gibt es zwar den ein oder anderen Schwerpunkt. Die Ängste sind aber vielfach irrational. Wir dürfen auf keinen Fall eine Gruppe stigmatisieren. Auch bei den Deutschen russischer Herkunft sind es Einzelne und nicht die Allgemeinheit, genau wie bei den anderen." Zwar sei bei Drogendelikten eine Auffälligkeit nicht zu leugnen, aber: "Das ist auch ein Hilfeschrei. Hier sind wir alle gefordert."Allein ist jeder überfordert

Er verweist auf die Hintergründe: "Junge Menschen, die teilweise noch ihre Kindheit in Russland oder Kasachstan erlebten, haben eine anderer Sozialisation hinter sich. Ich denke etwa daran, welchen Stellenwert die Gewalt in Staat und Familie dort auch heute noch hat. Dass da was getan werden muss, und auch die Polizei und die Justiz in der Verantwortung stehen, ist klar." Generell sei wichtig, nicht erst dann tätig zu werden, "wenn das Kind in den Brunnen gefallen" sei. Auch hier setze die Präventionsarbeit der Polizei ein. Generell seien beim Thema Jugendkriminalität alle gefordert: zuerst die Eltern, dann beispielsweise auch die Schulen, in denen Kinder und Jugendliche nun einmal die meiste Zeit verbrächten: "Alle sind gefragt. Allein ist jeder überfordert." Auch sollten Bürger die Beratungsstellen vom Kinderschutzbund bis zur Caritas in Anspruch nehmen. Hubert Lenz meint dazu: "Die Programme weisen gute Kurse aus. Aber es ist ein Riesenproblem, weil die Angebote häufig mit dem Klischee behaftet sind, nur für sozial schwache Familien oder Außenseiter mit Problemen da zu sein."

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