Geschichte Ein vielseitig engagierter Kaufmann

BERNKASTEL-KUES · In den Anfangsjahren der Weimarer Republik gehörte der Moselaner Jacob Astor der Deutschen Nationalversammlung von 1920/1921 an. Der Geschäftsmann war seinerzeit Vorsitzender und Gründungsvater der ehemaligen Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel.

 Der Politiker Jacob Astor (1867-1938) errichtete 1908/1909 ein großes Kaufhaus in seiner Heimatstadt Bernkastel-Kues.

Der Politiker Jacob Astor (1867-1938) errichtete 1908/1909 ein großes Kaufhaus in seiner Heimatstadt Bernkastel-Kues.

Foto: TV/Foto: Markus Philipps

Vor einem Jahrhundert trat die Verfassungsgebende Versammlung der deutschen Nationen in Weimar zusammen, um eine neue Staatsverfassung ins Leben zu rufen. Mit ihrem Inkrafttreten wurde das ehemalige Kaiserreich der Hohenzollern am 14. August 1919 als föderative und demokratische Republik konstituiert. Zu den 421 gewählten Mitgliedern der sogenannten „Weimarer Nationalversammlung“ gehörte einst der aus dem Moselland stammende Kaufmann Jacob Astor. Der langjährige Politiker der großen Volkspartei „Zentrum“ wirkte als einer der Vertreter des Wahlkreises Koblenz-Trier engagiert am Aufbau der freiheitlichen Republik mit. Seine Partei war überdies maßgebend an mehreren Regierungen der „Weimarer Republik“ beteiligt.

Der am 23. Dezember 1867 geborene Moselaner kam als Spross eines Eifeler Textilfabrikanten in der früheren Stadtgemeinde Bernkastel zur Welt. Sein Vater Franz Joseph Astor (1834-1898) gründete dort im Jahre 1856 eine Zweigniederlassung seines florierenden Handelsgeschäftes. Die neue Tuch- und Manufakturwarenhandlung war über viele Jahre am Marktplatz der mittelalterlichen Altstadt beheimatet. Neben dem Textilladen betrieb der versierte Geschäftsmann eine eigene Weingroßhandlung, die später unter dem Namen „Astoria Weinkellerei“ firmierte.

Ab 1881 besuchte Sohn Jacob das Gymnasium in Trier. Nach Erlangung der Obersekundareife absolvierte der gebürtige Bernkasteler bis 1887 eine kaufmännische Lehre in Bonn. Danach diente er als Einjährig-Freiwilliger beim Königin-Augusta-Garde-Grenadier-Regiment Nr. 4 in Koblenz. 1891 erfolgte seine Beförderung zum königlich-preußischen Reserveoffizier. Seit dem Jahr 1893 arbeitete der junge Kaufmann zusammen mit seinem Schwager Heinrich Roderfeld im väterlichen Textilgeschäft sowie in der familiengeführten Moselweinhandlung. Am 1. September 1907 übernahm Astor das alteingesessene Manufakturwaren- und Modegeschäft, um es in alleiniger Verantwortung weiterzuführen. Der Traditionsbetrieb war zu jener Zeit in zwei historischen Gebäuden in der Graacher Straße Nr. 1 und der damaligen Mausgasse (heute Schwanenstraße) Nr. 4 angesiedelt. In den folgenden Jahren verlagerte Astor sein aufstrebendes Unternehmen in ein neuerbautes Kaufhaus, dessen stilvolle Architektur das stadtbildprägende Erscheinungsbild der früheren kurfürstlichen Amtskellnerei am Bernkasteler Gestade wiederspiegelt.

Im Zeitraum 1912 bis 1918 diente der Zentrumspolitiker Astor als Abgeordneter des Reichstags für den Wahlkreis Trier-Wittlich. Nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges war er freiwillig für die kaiserliche Armee tätig, zunächst als Adjutant bei der Bahnhofskommandantur Trier-West und ab 1916 als Oberleutnant beziehungsweise Hauptmann im Kriegsministerium sowie im Kriegsamt Berlin.

Neben seiner Tätigkeit als Reichstagsmitglied wirkte Astor mehrere Jahre lang als Stadtverordneter in Bernkastel-Kues. Im Rahmen seines vielfältigen Engagements für die Stadtentwicklung setzte er sich unter anderem für einen raschen Wiederaufbau der kriegsbedingt eingestellten Postbusverbindung Bernkastel-Kues – Idar-Oberstein ein. Die Schwerpunkte seiner umfangreichen politischen Arbeit lagen insbesondere in der Förderung des Weinbaus sowie in der Hebung des kaufmännischen Mittelstandes. Vor diesem Hintergrund war Astor auch als Mitglied des Aufsichtsrates der Einkaufsvereinigung westdeutscher Manufakturisten sowie als Angehöriger des Verbandes katholischer kaufmännischer Vereinigungen tätig. Einen wichtigen Meilenstein seiner bemerkenswerten Karriere markiert die im November 1912 erfolgte Gründung der einstigen „Detailhandels-Berufsgenossenschaft“ in Berlin. Die spätere „Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel“ wurde bis 1934 von ihrem Gründungsvorsitzenden Astor geleitet. Zudem bekleidete der Moselaner ab 1917 den Vorsitz des ebenfalls in Berlin ansässigen „Reichsbundes Deutscher Textil-Detaillisten-Verbände e.V.“. Darüber hinaus gehörte er von Juli 1931 bis Juli 1932  erneut dem Reichstag der „Weimarer Republik“ an.

 Foto: Markus Philipps

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Foto: TV/Foto: Markus Philipps

Am 4. Dezember 1938 starb der angesehene Politiker und Textilhändler im Alter von 71 Jahren in seinem Geburtsort Bernkastel-Kues. Seine persönlichen Nachfahren führten das renommierte „Modehaus Astor“ bis ins Jahr 2008 weiter.

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