Jagen nach der Uhr

Glücksspiel und Geduldsprobe in einem: Einfach ist die Wildschweinjagd nicht. 60 Jäger haben in Minheim ihr Glück versucht - zwei Stunden lang haben sie in einem 200 Hektar großen Stück Wald gejagt.

 Freuen sich über eine erfolgreiche Jagd: (von links) der glückliche Schütze Uwe Spanier, Riegenführer Ottmar Junk und Kreisjagdmeister Günther Vanck. TV-Foto: Annegret Schmitt

Freuen sich über eine erfolgreiche Jagd: (von links) der glückliche Schütze Uwe Spanier, Riegenführer Ottmar Junk und Kreisjagdmeister Günther Vanck. TV-Foto: Annegret Schmitt

Minheim. An einem Ast ist Blut. Dort muss der Frischling entlanggelaufen sein. Ottmar Junk befestigt ein Stück rot-weiß-gestreiftes Baustellenband an dem Ast, dann schließt er zu Günther Vanck und Uwe Spanier auf. Spanier hat den Frischling angeschossen. Die Männer machen sich auf die Suche. Dass das Tier qualvoll verendet, wollen sie nicht. Sie durchkämmen ein angrenzendes Stück Wald, schicken Junks Hund vor, um die Fährte des Frischlings aufzunehmen. Vergebens. Das junge Wildschwein bleibt verschwunden. Ein Schweißhund wird es später aufspüren müssen. So kommen die drei Jäger nicht weiter. Bereits am Morgen sind sie zur Jagd aufgebrochen. Und mit ihnen knapp 60 weitere Jäger und Hundeführer aus der gesamten Region. Minheims Jagdpächter hat sie eingeladen, um Schwarzwild zu schießen. Die Wildschweine sind überall im Kreis Bernkastel-Wittlich zur Plage geworden. In den vergangenen Jahren haben sie sich stark vermehrt. "Das liegt am guten Futter", sagt Vanck. Normalerweise tragen Buchen und Eichen nur alle paar Jahre ihre Früchte. Doch die Bäume sind krank. Daher tragen sie weitaus häufiger. Die Natur versuche stets, sich selbst zu erhalten. In den vergangenen Jahren hätten die Wildschweine bloß ihr Maul aufhalten müssen, berichtet Vanck, und schon hätten sie etwas zu fressen gefunden. In diesem Winter gibt es jedoch nur wenig Eicheln, die Wildschweine finden kaum Futter. Daher sind die nachtaktiven Tiere nun auch tagsüber unterwegs. Das ist die Chance für die Jäger. Dort setzen sie in Minheim an.

200 Hektar Wald werden abgesucht



An diesem Tag wird nach der Uhr gejagt, das heißt: Nach zwei Stunden ist Schluss. Bevor es losgeht, ist noch Organisatorisches zu erledigen. Der Minheimer Jagdpächter Heinrich Kahl muss die 60 Mann starke Truppe in Riegen einteilen, Gruppen, die gemeinsam einen Teil des Waldes abdecken. Die Jäger stellen sich in einem Kreis auf. Der wird einen Durchmesser von ungefähr zwei Kilometern haben, schätzt Vanck. Während die Jäger an ihren Positionen warten, suchen die Hundeführer das Gelände ab. 200 Hektar sind es etwa. In den zwei Stunden, die sie dafür Zeit haben, legen sie im Schnitt acht Kilometer zurück.

Um im Wald deutlich für ein ander sichtbar zu sein, tragen die Jäger leuchtendes Orange. Ob Kopfbedeckung, Weste, Jacke oder Gewehr: Von Kopf bis Fuß sind die Jäger in die Signalfarbe gehüllt. Auch Vanck trägt Orange: Er hat eine Schutzweste in der grellen Farbe an, und um seinen Lederhut ist ein Band geschlungen. "Sicherheit bei der Jagd" steht darauf. Und auch als Tarnung ist die Farbe gedacht, erklärt Vanck. Denn die Sauen können sie nicht sehen.

Die einzelnen Riegen setzen sich in Bewegung. In einem ruckeligen Anhänger fahren die sieben Männer, die zu Vancks Riege gehören, zwei Kilometer ins Gelände hinein. An einem Feld steigen sie aus, marschieren über den gefrorenen, mit Schnee bedeckten Boden Richtung Wald.

"Neben dem Schwein ist mehr Platz als drauf"



Riegenführer Ottmar Junk positioniert seine Truppe nach und nach an vorgegebenen Plätzen. Sie sind mit gelben Bändern markiert. Hier sind die Wildschweine besonders häufig unterwegs. Wer welchen Stand beziehen darf, hängt vom Können ab, sagt Vanck. Gute Schützen bekommen auch einen guten Stand. So soll garantiert werden, dass viele Schweine geschossen werden. Können ist jedoch nicht alles. Man muss auch Glück haben. Schnell habe man daneben geschossen. "Neben dem Schwein ist mehr Platz als drauf", sagt Vanck.

Außerdem seien die Sauen flink. Schneller als mancher Hund. Wenn ein Wildschwein richtig in Fahrt ist, bewegt es seinen behäbigen Körper mit bis zu 40 Kilometern pro Stunde durch die Landschaft. Will ein Schütze treffen, hilft nur rechnen. In einer Sekunde legt ein Wildschwein einen halben Meter zurück. Der Schütze muss auf den Kopf zielen, nur dann geht das Geschoss auf den Körper. Es gehe eben nichts über den gezielten Schuss, sagt Vanck. Junk weist ihm seine Position in einem abschüssigen Teil des Waldes zu. Von nun an ist Warten angesagt.

Knapp eine halbe Stunde später fällt der erste Schuss. Kurz darauf raschelt das Laub in unmittelbarer Nähe. Vanck macht sich bereit. Das Rascheln im Laub wird lauter. Vanck legt an. Eine Sau prescht den Hang hin unter. Doch das Tier ist zu weit entfernt. Vanck wartet weiter.

Vereinzelt fallen Schüsse, jedoch zu weit entfernt, um Vanck aus der Ruhe zu bringen. Erst als es zweimal in unmittelbarer Nähe knallt, steigt seine Anspannung. Die Luft riecht verbrannt. 100 Meter oberhalb von Vanck blitzt eine orangenfarbene Jacke zwischen den Bäumen auf. Es ist die von Uwe Spanier. "War's ne Sau?", ruft Vanck ihm zu. "Zwei", antwortet dieser. Ob er getroffen habe? "Zwei Mal." Einen Keiler, wird Vanck später erfahren, hat Spanier mit einem Schuss zur Strecke gebracht, einen Frischling hat er nur verletzt. Nach ihm werden sie später gemeinsam suchen.

Kurz darauf ist die Jagdzeit um. An diesem Tag hatte Vanck kein Glück. Wenn bei der gemeinsamen Einkehr, dem Schüsseltreiben, die erfolgreichen Jäger ausgezeichnet werden, wird Vanck leer ausgehen. Enttäuscht ist er nicht. Es sei unrealistisch, dass bei so vielen Schützen jeder trifft. Er freue sich vielmehr, dass wieder etwas getan wurde, um die Zahl der Wildschweine zu verringern.

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