"Jazz ist eine andere Welt"

MORBACH. Am kommenden Montag feiert Paul Kuhn, das Urgestein des deutschen Jazz, in der Baldenauhalle seinen 75. Geburtstag nach. Mit der neuen CD "Young at heart" ist er derzeit von Null auf Platz zwei der Jazz-Hitliste durchgestartet. Der Trierische Volksfreund präsentiert das Konzert im Hunsrück und sprach mit dem Komponisten, Arrangeur, Pianisten und Sänger.

DieBerliner Morgenpost schreibt, für Sie sei das Berliner Pubikumnoch immer das beste, das es gibt, und Ihre aktuelle Tourneeführt Sie nach Köln, Frankfurt, Hannover, Hamburg, Stuttgart...und nach Morbach. Was ist das für ein Gefühl, auch in die sogenannte Provinz zu gehen? Paul Kuhn: Das ist für mich gar kein Unterschied. Soweit ich weiß, war ich noch nie in der Region. Aber ich finde es sowieso sehr reizvoll, neue Gegenden kennen zu lernen. Mir ist auch schon passiert, wenn ich Zeit zwischen den Auftritten hatte und mich umschauen konnte, dass ich entdeckte, ich war doch schon einmal hier und dass die Umgebung sehr schön ist.

Das Konzert in Morbach ist nach Auskunft Ihres Managers überhaupt noch die einzige Möglichkeit, Karten für ein Konzert der Tournee zu bekommen, alle anderen sind restlos ausverkauft. Sie sind auf Erfolgskurs...

Paul Kuhn: Natürlich freut mich besonders, wenn in den Charts der beinahe amtlichen Jazz-Publikation "Musikmarkt" meine neue CD gerade von Null auf Platz zwei gestiegen ist, direkt hinter der US-Größe Norah Jones. Und generell erlebt der Swing ja derzeit ein richtiges Revival.

Robbie Williams, Rod Stewart... sie alle sorgen dafür, dass Swing wieder in ist.

Paul Kuhn: Ja, in den Kompositionen liegt eine Substanz, auf deren Basis man wunderbar improvisieren kann. Allerdings muss man den Grundstock kennen.

Sie sagten in einem anderen Interview, Sie spielen sehr gern die Standards eben wegen jener Substanz, die viele heutigen Stücke nicht haben. Wie stehen Sie zu dem, was auf dem Markt Mode ist?

Paul Kuhn: Ich bin aufgewachsen mit den Komponisten der 30er und 40er Jahre, als die voll im Saft standen und gute Solisten brauchten. Was heute als Lounge-Music kommt, ist oft eine grausame Berieselung mit Rhythmusfloskeln.

Nun gibt es ja auch die Schlager, die Sie in den 60er Jahren berühmt machten, "Kein Bier auf Hawaii" oder "Der Mann am Klavier". Spielen Sie die noch bei Ihren Konzerten?

Paul Kuhn: Nein, nur noch ausnahmsweise. Diese Sachen kommen in speziellen Retro-Shows vor, wenn etwa Chris Howland oder Siv Malmquist und andere aus der Zeit ebenfalls mit von der Partie sind. Aber Probleme mit dieser leichten Kost habe ich nicht, denn Musik ist ein weites Feld, und ich habe mich immer weiterentwickelt. Applaus ist zwar das Brot des Künstlers, aber es gibt Zeiten, da braucht man auch etwas auf's Brot.

Ihre Musik ist sehr vom amerikanischen Jazz geprägt. Aktuell wird alles, was aus diesem Land kommt, natürlich kritischer gesehen... hat das auch Einfluss auf Ihre Einstellung?

Paul Kuhn: Ich bemerke das auch. Aber als ich mich für den Jazz begeisterte, war das als "Negermusik" von den Nazis verboten, eigentlich weniger wegen der Musik selbst, sondern weil die Sender, die das spielten, kritisch berichteten. Heimlich hörte selbst Goebbels gern seine Jazzplatten. Für uns war diese Musik aus den USA ein Synonym für Freiheit und Bewegung, durchaus auch im politischen Sinn. Es war ein Traum, nach Kriegsende mit den Amerikanern zusammen beim Sender AFN Musik machen zu dürfen, weil wir ja vorher nicht ahnten, dass wir je mit ihnen so zusammen sein würden. Für uns damals war es eine wirkliche Befreiung. Jazz ist eine andere Welt und hat mit dem heutigen Bush-Amerika und seiner Regierung nichts zu tun, er ist geprägt von den Ursprüngen in der Kultur der Schwarzen.

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Das Gespräch führte TV-Mitarbeiterin Angelika Koch.

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