Jede Platte erzählt eine traurige Geschichte

Viele Menschen, junge wie alte, engagieren sich, damit auch in Bernkastel-Kues die Erinnerung an die systematische Judenvernichtung wach bleibt. "Lasst uns mutige Menschen sein", fordern sie.

Bernkastel-Kues. Es ist kein leichter Gang für Helga Baum. Zum zweiten Mal seit 1940 kommt sie zurück in ihre Heimatstadt Bernkastel-Kues. Damals wurde ihr Vater Karl Baum von den Nazis verhaftet und in ein Konzentrationslager nach Frankreich gebracht. Die damals zehnjährige Helga tauchte aus Angst vor einem ähnlichen Schicksal mit ihrer Mutter in Luxemburg unter.

Helga Baum empfindet viel Trauer



Vater Karl überlebte das Konzentrationslager, eine Tante von Helga Baum wurde vergast. 1947 wanderte die jüdische Familie in die USA aus. "Ich fühle, dass Bernkastel-Kues meine Heimatstadt ist", sagt Helga Baum bei der Enthüllung von 17 Stolpersteinen, die an die Verfolgung der Juden erinnern, die damals in Bernkastel-Kues wohnten und Opfer des Nazi-Terrors wurden. "Aber es sind auch traurige Gefühle", führt die 78-Jährige aus.

17 Stolpersteine erinnern seit Sonntag in Bernkastel-Kues an ehemalige jüdische Mitbürger. Gestiftet wurden die Stolpersteine unter anderem von Bürgerinnen und Bürgern, von Schülerinnen und Schülern der Hauptschule Bernkastel-Kues und von der Grundschule sowie vom Stadtrat.

"Sehr bewegend" empfindet Helga Baum die Enthüllungszeremonie an dem Tag, der an die Pogromnacht erinnert. Am 9. November 1938 brannten überall im Land die Synagogen. Die systematische Vernichtung der Juden nahm ihren Anfang.

Jürgen Ries, Kantor der jüdischen Gemeinde in Neuwied, erinnert an den vier Stolperstein-Standorten (Burgstraße 7, Graacher Straße 22, Schanzstraße 9 und Kardinalstraße 63) mit Gebeten und mahnenden Worten, an die Gräuel. Es sei gewollt, dass man die auf dem Bürgersteig verlegten kleinen Messingplatten mit den Namen und Daten von Holocaust-Opfern "mit Füßen tritt". Ries: "Denn die Steine lassen aufmerken, vielleicht wirklich stolpern." Wer die Inschrift lese, werde vielleicht den Mut fassen, unbequem zu fragen.

Auch Stadtbürgermeister Wolfgang Port und Jaghoub Khoschlessan, Vorsitzender des Bündnisses für Menschlichkeit und Zivilcourage, erinnern an die Opfer des Nazi-Terrors. Die Tafeln würden auf ewig an diese schreckliche Zeit erinnern, sagt Port. "Mit diesem Wissen können wir überzeugter eine friedliche, freie, tolerante, menschliche und couragierte Zukunft für unsere Kinder und Enkel gestalten", sagt Khoschlessan.

Mahnende Worte der Stolperstein-Paten



Mahnend und bewegend sind auch die Worte der Stolperstein-Paten. "Wer vor der Vergangenheit die Augen schließt, wird blind für die Gegenwart", sagt Heinz Grundhöfer. Stefan Krebs spricht von der "Mitmenschlichkeit", die er im Zusammenhang mit der Aktion bemerkt habe. "Die Steine sollen ewig an großes Unrecht erinnern", sagt Bernd Gelz. "Lasst uns mutige Menschen sein", fordert Frank Hoffmann. Auch Inge und Peter Brucker haben einen Stolperstein gestiftet. "Damit auch bei unseren Kindern die Erinnerung wach gehalten wird", sagen sie.

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