Jetzt ist das zweite Balkonbett belegt

Im März berichtete der Trierische Volksfreund über Gunhild Neußer aus dem Traben-Trarbacher Stadtteil Wolf, die seit zwei Jahren bei Wind und Wetter auf dem Balkon nächtigt. Daraufhin rückten die Fernseh- und Radioreporter bei ihr an, und der TV-Artikel wurde auch in Bayern gelesen. Von dort reiste jetzt Ingrid von Croetz an die Mosel, um mit Gunhild Neußer das Schlafzimmer unter freiem Himmel zu teilen.

Traben-Trarbach/Wolf. "Ich schlafe seit elf Jahren auf meinem Balkon im zweiten Stock", erklärt Ingrid von Croetz dem TV lachend. Ihre Freundin in Mainz hatte den Artikel in der Zeitung gelesen und nach Klais bei Mittenwald geschickt. Kurzentschlossen griff die Balkonschläferin aus Bayern zum Telefonhörer und rief bei Gunhild Neußer an.

"Hier spricht eine Gleichgesinnte", habe ich gesagt, "und dann haben wir sofort gelacht". Die beiden "kaltblütigen" Frauen freundeten sich an, und gemeinsam verleben sie jetzt das Weihnachtsfest und den Jahreswechsel. Von Croetz kam gerne an die Mosel, denn Gunhild Neußer verfügt über ein Gästebett auf ihrem Balkon. "Bei diesen Temperaturen kommen wir ja richtig ins Schwitzen", stöhnen sie angesichts des vorweihnachtlich milden Wetters. Sie hoffen auf knackig-kalte Feiertage, denen sie mit entsprechender Ausrüstung Paroli bieten können.

Die, die aus der Kälte kam



Insbesondere Ingrid von Croetz ist hartgesotten: Der tiefste in ihrem "Schlafzimmer" gemessene Wert lag bei minus 16 Grad. Auf ihrer Matratze liegt eine Lammfelldecke, der Schlafsack hat eine Kapuze und zwei weitere dicke Felldecken sowie eine Wärmflasche sorgen für Behaglichkeit, auch wenn es stürmt und schneit. "Ab minus 10 Grad brauche ich zwei Wärmflaschen", sagt die Pensionärin, und lachend erzählt sie, wie sie einmal aufwachte und tatsächlich eingeschneit war.

Als sie vor elf Jahren Probleme mit den Bronchien hatte, beschloss sie zum Ende des Sommers, im Freien zu nächtigen. "Das bekam mir gut. Es wurde dann immer kälter und ich merkte, dass mir das nichts ausmacht", sagt sie.

Gunhild Neußer setzt ab null Grad eine dicke Mütze aus Kunstpelz auf, Ingrid von Croetz kam mit einem "Fuchs" nach Wolf; die warme Kappe stammt noch aus ihrer Jungmädchenzeit.

"Man wird süchtig nach der frischen Luft", erklären die beiden Balkonschläferinnen unisono, die sich einer robusten Gesundheit erfreuen und keine Erkältungskrankheiten mehr kennen.

Einzig Max, der Herr im Hause Neußer, teilt die Begeisterung der Damen für das Nachtlager unter freiem Himmel offensichtlich nicht. Der prächtige Kater im schwarzen dicken Pelz bevorzugt die warme Wohnstube zum Schlafen und mag sich denken: "Lass die beiden doch auf dem Balkon bibbern."

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