Wittlich/Bernkastel-Kues. Unter Efeu und Grünspan verborgen

Wittlich/Bernkastel-Kues. · Die 13 ehemaligen jüdischen Friedhöfe im Landkreis Bernkastel-Wittlich liegen aufgrund der jüdischen Bestattungskultur oftmals im Wald und außerhalb der Ortschaften. Ein Rundgang wider das Vergessen.

 In Bernkastel-Kues findet man den jüdischen Friedhof abseits der Ortschaft an der Graacher Schäferei.

In Bernkastel-Kues findet man den jüdischen Friedhof abseits der Ortschaft an der Graacher Schäferei.

Foto: klaus kimmling/Klaus Kimmling

Verlassen, aufgegeben, mehrfach geschändet und vielerorts vergessen: An den Orts- und Waldrändern von dreizehn Gemeinden und Städten im Landkreis Bernkastel-Wittlich finden sich heute noch jüdische Friedhöfe. Abgesehen von den Gemeindearbeitern, die dort hin und wieder den Rasen mähen,  werden sie nur noch selten betreten. Von Zeit zu Zeit reisen Verwandte der Verstorbenen aus Israel, den USA oder Südamerika an, um ihrer Ahnen zu gedenken. „Als Zeichen der Trauer sieht man hin und wieder mal einen kleinen Stein auf einem Grabstein liegen“, erklärt René Richtscheid, Geschäftsführer des in Wittlich angesiedelten Emil-Frank-Instituts.

In der Zeit des Nationalsozialismus, der Vertreibung und des Holocaust, mussten die jüdischen Gemeinden ihre Friedhöfe aufgeben und seitdem sind im Landkreis – anders als in der Stadt Trier – keine jüdischen Gemeinden mehr existent. Bis in die 1940er Jahre hatten die Mitglieder der jüdischen Gemeinden im Landkreis, 1925 waren es noch etwa 850 Menschen, über mehrere Jahrhunderte ihre Verstorbenen auf den 13 Friedhöfen im Landkreis beigesetzt. „Wittlich hat in der Eifel und auch im Moselraum den größten jüdischen Friedhof“, erklärt Richtscheid. Das hänge mit der Größe der ehemaligen jüdischen Gemeinde in der Stadt zusammen. Insgesamt 167 Grabstätten kann man auf dem Friedhof außerhalb der Kernstadt am Stäreberg zählen. Den Schlüssel für den – aus gutem Grund – abgezäunten Friedhof kann man bei der Stadtverwaltung ausleihen. Wie in Wittlich lägen alle jüdischen Gräberfelder im Landkreis bewusst außerhalb von  Ortschaften und meist in den Wäldern, erklärt Richtscheid, „denn nur Christen beerdigen ihre Toten im Ort.“

Im Gegensatz dazu seien jüdische Grabstätten zudem für die Ewigkeit angelegt, erklärt Richtscheid. Dort gebe es keine zeitlich beschränkte Ruhezeit, die nach 20 oder 30 Jahren ende. Auch der Bestattungskult variiere: „Mahagonisärge und kunstvoll ausgestaltete Grabstätten sind im Judentum, nach dem jeder im Tod gleich ist, ungewohnt. Jeder wird im gleichen Holzsarg und schlichten Totenhemd beigesetzt.“ Den Grabstein würden nur der Name, das Geburts- und Sterbedatum sowie ein Lobspruch zieren. Üppiger Grabschmuck mit Blumen und Lichtern seien dem Judentum ebenfalls fremd.

Auf dem jüdischen Gräberfeld in Wittlich finden sich die beiden ältesten Grabstätten im Landkreis, wobei eine Inschrift – viel mehr lässt sich auf dem Grabstein nicht mehr entziffern – auf das Jahr 1671 zurückverweist. Nach Wittlich mit knapp 4000 Quadratmetern Fläche findet sich in Neumagen-Dhron der zweitgrößte jüdische Friedhof im Landkreis. Auf einer Fläche von 3300 Quadratmetern wurden dort 126 Gräber angelegt.

Bei den Grabstätten auf den jüdischen Friedhöfen handelt es sich sowohl um Doppelgräber für Eheleute als auch Einzelgrabstätten. „Mitunter wurden in Grabstätten von Großeltern auch verstorbene Kinder beigesetzt“, erklärt Richtscheid. Heute sind die vierzehn jüdischen Friedhöfe im Landkreis im Eigentum des Landesverbands der jüdischen Gemeinden von Rheinland-Pfalz. Gepflegt werden sie meist von den Kommunen.

In der Vergangenheit – auch nach 1945 –  wurden sie oftmals von Grabschändern heimgesucht. Belegt sind solche Friedhofsschändungen in Bausendorf und Wittlich. Wobei der Wittlicher Friedhof 1970, 1971, 1972, 1983 und 1987 geschändet wurde.

1987 warfen drei junge Männer 111 der 167 Grabsteine um. Sie wurden festgenommen und in einem Gerichtsverfahren wegen Vandalimus zu Freiheitsstrafen verurteilt, die jeweils zur Bewährung ausgesetzt wurden. Richtscheid: „Bei der Gerichtsverhandlung wurde nicht auf eine mögliche antisemitische Gesinnung der Täter eingegangen. Das hatte damals noch lebende Juden der ehemaligen Gemeinde sehr erbost.“

Wer das abgezäunte Areal des jüdischen Friedhofs in Wittlich am Stäreberg heute betreten möchte, erhält beim Kulturamt der Stadt Wittlich einen Schlüssel. Von Zeit zu Zeit werden zudem Führungen angeboten. Die jüdischen Friedhöfe des Landkreises werden in einer folgenden TV-Serie im Detail vorgestellt.

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