Jüngere sprechen kaum noch Platt

Morbach/Thalfang · In Bitburg werben die Geschäftsleute damit, dass sie Platt schwätzen, an der Mosel werden vielerorts Dialektwörter gesammelt - doch wie sieht es im Hunsrück mit dem Platt aus. Der TV hat sich in der Einheitsgemeinde Morbach und der Verbandsgemeinde Thalfang umgehört.

 Dialekte sind Ausdruck von Identität und der Verbundenheit der Menschen mit ihrer Heimat. TV-Foto: Archiv/Klaus Kimmling

Dialekte sind Ausdruck von Identität und der Verbundenheit der Menschen mit ihrer Heimat. TV-Foto: Archiv/Klaus Kimmling

Es ist zweite Amtssprache in Teilen Süd-Brasiliens, wird in Comics und Zeitschriften verwendet - das Hunsrücker Platt, dort Riograndenser Hunsrückisch genannt. Mitgebracht haben es die deutschen Einwanderer, die aus unserer Region kamen.
Gut 10.000 Kilometer entfernt sieht das anders aus: In den Orten der Verbandsgemeinde (VG) Thalfang und der (EG) Morbach ist das Platt weder häufig in Zeitschriften zu lesen noch offiziell zweite Amtssprache. Im Gegenteil: Heimatforscher Berthold Staudt aus Morbach geht sogar davon aus, dass das Plattdeutsche im Hunsrück immer mehr verloren geht.
Aber wie weit ist diese Entwicklung fortgeschritten? Anruf bei den Rathäusern in Morbach und Thalfang. Hunsrücker Platt werde in der Verwaltung eher selten gesprochen, sagt Theodor Gätz, Büroleiter der Gemeinde Morbach. Die Menschen hätten sich so eingestellt, dass es kaum noch verlangt werde. Anders in Thalfang: "Wenn Einheimische kommen, dann wird auch noch Dialekt gesprochen", erzählt VG-Sprecher Michael Suska.
Verschwunden ist das Hunsrücker Platt demnach nicht. Das zeigt auch eine Kneipe in Morbach, die einen Mundartnamen trägt - das Bistro 4Witz (Vierwitz). Die Idee stamme von ihrem Architekten, erzählt Inhaberin Dorothea Ertz-Pölcher. Er habe immer gesagt: ‚Was ist das denn für ein vierwitziger Ecken?', weil viele Morbacher Ecken von dem Gebäude aus einsehbar seien.
Aber wird im Vierwitz auch Dialekt gesprochen? Ertz-Pölcher: "Die Älteren sprechen noch Platt, die Jüngeren nicht mehr." Eine Erfahrung, die auch Staudt gemacht hat. "Ich habe den Eindruck, dass die Jugend den Dialekt immer weniger versteht."
Kinder kennen Begriffe nicht


Wachsen die Kinder in und um Morbach und Thalfang also nicht mehr zweisprachig auf? Stichprobe bei zwei Kindergärten. Laut Marga Burkert, Leiterin des Morbacher Kindergartens, sprechen viele Kinder keinen Dialekt mehr. "Manchmal rutschen mir Begriffe raus, und dann schauen die Kleinen mich an und wissen nicht, was gemeint ist." Das sei in Morbach noch mehr der Fall als auf den Dörfern, aber dort sei das Hunsrücker Platt auch weniger geworden.
"Reines Platt hören wir selten, eher Mischformen", sagt auch Michaela Freidhof von der Kita Arche Noah in Thalfang. Einen Grund dafür sieht sie in der Bildungspolitik: Als sie vor etwa 30 Jahren angefangen habe, im Kindergarten zu arbeiten, sei viel Wert auf Hochdeutsch gelegt worden. "Es gab die Ansicht, dass der Dialekt bildungsmäßig unten angesiedelt ist", erzählt Freidhof, die auch ausgebildete Sprachförderkraft ist. Dabei sei es eher positiv, wenn Kinder die Mundart beherrschten. Es sei wie eine Fremdsprache, die schon früh gelernt werde. Das sei wichtig für die weitere Sprachentwicklung. Für Freidhof wäre es deshalb eine gute Sache, wenn der Hunsrücker Dialekt wieder mehr gesprochen würde - auch damit die Kinder ihre Wurzeln nicht verlieren würden.
Meinhard Polok, Leiter der Hinzerather Theatergruppe, sieht das ähnlich. Wie viele Theatergruppen in der VG Thalfang und EG Morbach führen die Mitglieder ihre Stücke vor allem in Mundart auf und halten den Dialekt so am Leben. Probleme gebe es aber bei den Kindern, weil sie kaum noch Platt sprechen könnten, erzählt Polok. "Es ist schade, weil die Mundart ist so etwas Bodenständiges. Die Mundart ist Heimat."
Platt zu Papier gebracht


Um diese Heimat zu bewahren, gibt es vor allem im vorderen Hunsrück rund um Kastellaun und Simmern einige Menschen, die alte Dialekt-Begriffe sammeln und veröffentlichen. Zum Beispiel Bernd Bersch. Sein Wörterbuch Hunsrück heißt Honsreck, ist in diesem Jahr erschienen und befasst sich vor allem mit dem Hunsrücker Platt im Kastellauner und Emmelshausener Raum.
Den Dialekt rund um Hundheim bei Kastellaun hält zudem Achim Berg auf seiner Homepage fest ( www.hundemer-platt.de ). Und G. Walter Diener hat bereits 1971 ein Hunsrücker Wörterbuch geschrieben, das neben Geschichte und besonderen Kennzeichen des Hunsrücker Platts, Dialekt-Wörter von A wie abbaard (getrennt) bis Z wie Zwiewelschiele (Zwiebelschale) enthält.
Liebe Leser, sie sprechen Hunsrücker Platt? Dann senden Sie uns bitte ihre Lieblingsausdrücke oder schreiben Sie uns, wo noch Hunsrücker Platt gesprochen wird an mosel@volksfreund.de oder per Post an TV-Redaktion, Gestade 3b, 54470 Bernkastel-Kues. Name und Wohnort nicht vergessen!
Extra

Das Hunsrücker Platt ist kein einheitlicher Dialekt. Sprachhistorisch ist der Hunsrück zum Teil dem Moselfränkischen und teilweise dem Rheinfränkischen zuzuordnen. Die beiden Varianten unterscheiden sich vor allem darin, dass im Moselfränkischen "t" statt "s" gesprochen wird, also "dat" statt "das". Der Dialekt im Hunsrück sei aber auch von Dorf zu Dorf unterschiedlich, sagt der Morbacher Heimatforscher Berthold Staudt. Selbst Orte, die direkt aneinandergrenzten, hätten eigene Wortvarianten. In das Hunsrückische sind viele Wörter anderer Sprachen eingegangen, zum Beispiel das Jiddische Wort Zores für Gesindel oder Mammon für Geld. Aus dem Französischen entlehnt sich das Wort Baggasch für Gepäck oder allee für vorwärts. hsc

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