Keine Panik! Steuer runter, Qualität rauf

Runter mit der Mehrwertssteuer, mit neuem Tourismus-Konzept raus aus der Krise: Gereon Haumann, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) Rheinland-Pfalz, im TV-Interview mit unserem Redaktionsmitglied Patrick Wiermer.

 Gereon Haumann. Foto: privat

Gereon Haumann. Foto: privat

Thalfang. (pwr) Herr Haumann, Anfang Juli sagten Sie unserer Zeitung, dass die Leute in der Krise lieber grillen als in einem Restaurant essen gehen. Hat sich dieser Trend jetzt am Ende des Sommers bestätigt?

Gereon Haumann: Das hat sich bewahrheitet. In der Krise sparen sich die Menschen Restaurantbesuche. Viele Betriebe in der Region rechnen in diesem Sommer mit einem Umsatzrückgang von bis zu zehn Prozent. Die Krise wird sich noch verschärfen. Im Winter, der ja sowieso eine schwierige Jahreszeit ist, haben einige Betriebe Umsatz-Einbrüche von bis zu 50 Prozent. Im Jahressaldo relativiert sich das natürlich.

Welcher Weg führt aus der Krise?

Haumann: Ich rate den Betrieben: keine Panik, nicht die Preise für eure Angebote senken! Die Qualität der Betriebe muss erhöht werden, das ist der beste Schutz. Gemeinsam mit der Rheinland-Pfalz Touristimus GmbH wurden Kriterien und Konzepte erarbeitet. Landesweit coachen wir bereits 110 Betriebe. Ziel ist es, die Qualität der Leistungen zu steigern und das "Incoming", also die absolute Zahl der Besucher in Rheinland-Pfalz, zu erhöhen. Dazu bietet der Flughafen Hahn auch gute Chancen.

Wie soll die Qualität gesteigert werden?

Haumann: Der Trend geht in Richtung Regionalität. Wir wollen die Originalität des Raumes hervorheben. Die Besucher der Region suchen das "Zurück zu den Wurzeln", es geht um die persönliche Zufriedenheit, nicht mehr um den schnellen Hype. Es geht um die Rückbesinnung auf ganzheitliche Werte. Der Hunsrück ist da unverwechselbar, und sei es nur die Hunsrücker Schmier. Die Region hat viel Potenzial. Trotzdem muss man auch den Mut haben, die Moselregion mit ins Boot zu holen und gemeinsame Konzepte zu entwickeln.

Im Vergleich zur Moselregion ist der Hunsrück touristisch gesehen strukturschwach. Worin liegt das Potenzial?

Haumann: Der Hunsrück hat im Vergleich zur Mosel vor allem noch einen Erfahrungsrückstand von rund zwei Jahrzehnten. Die Betriebe und die Regionalagenturen sind noch nicht ausreichend vernetzt. Allerdings ist die Struktur sehr heterogen. Es gibt viele kleine Orte mit typischen Wirtshäusern und kleinen Hotels. Das ist ein riesiges Potenzial für Existenzgründer. Viele Leute von außerhalb haben noch kein gutes Image vom Hunsrück. Wir haben auch keinen großen Namen. Das ist aber eine Frage der Werbung, hier muss die Hunsrück-Touristik ihre Hausaufgaben machen. Unser großes Kapital: Wenn die Leute kommen, sind sie überrascht von der Landschaft und den Leuten und kommen immer wieder. Das merke ich auch bei meinen Gästen.

Nicht nur in Rheinland-Pfalz sind viele Betreiber von Gastgewerben für eine niedrigere Mehrwertsteuer auf die Straße gegangen. Wie sollen sinkende Steuereinnahmen aus der Krise führen?

Haumann: Das Geld, was wir durch den verminderten Steuersatz von sieben Prozent einsparen könnten, wird wieder reinvestiert. Wir rechnen bundesweit mit Einsparungen von drei bis vier Milliarden Euro pro Jahr. Davon soll ein Drittel als Preissenkung an die Gäste gehen, ein Drittel in eine bessere Entlohnung der Mitarbeiter, und ein Drittel soll in die Qualität der Betriebe gesteckt werden.

Klingt nach einem Konjunkturpaket?

Haumann: Hinter der Mehrwertsteuer steht eine grundsätzliche Ungerechtigkeit. Im Einkauf bezahlen wir den verminderten Steuersatz von sieben Prozent, unsere Dienstleistungen sind allerdings mit 19 Prozent versteuert.

Daraus entsteht ein Verlust von zwölf Prozent. Außerdem ist der Mehrwertsteuersatz in anderen Ländern deutlich niedriger als in Deutschland. Das wirkt sich gerade in Rheinland-Pfalz aus. Das Nachbarland Frankreich erhebt zum Beispiel nur 5,5 Prozent auf Hotelzimmer, während hierzulande 19 Prozent fällig werden. 80 Prozent unserer Mitglieder sind kleine und mittelständische Betriebe. Für die kämpfen wir, denn die sind am stärksten betroffen.

Sie sprachen davon, Teile der Einsparungen in die Löhne der Angestellten fließen zu lassen, der Mindestlohn soll trotzdem nicht ausgeweitet werden. Dabei gilt das Lohnniveau im Gastgewerbe als besonders niedrig …

Haumann: Im Tarifvertrag ist ein Eingangslohn von 7,50 Euro vereinbart. Die Frage nach einem Mindestlohn stellt sich insofern nicht.

Das bezieht sich aber nur auf einen Teil der Beschäftigten. Der Anteil der Vollzeitbeschäftigten ist zum letzten Quartal geschrumpft und auch viele Lehrstellen bleiben unbesetzt. Ist das Gastgewerbe als Berufsziel überhaupt noch attraktiv?

Haumann: Das Gastgewerbe bildet rund 100 000 junge Menschen aus. Da gibt es oft mehr Lehrstellen, als es Azubis gibt. Es stimmt, das Gastgewerbe ist bestimmt von harten Arbeitszeiten und, im Vergleich zum Bankgewerbe, von geringeren Verdienstmöglichkeiten. Aber wir bieten etwas, was man nicht finanziell entlohnen kann: Reisejahre, Erfahrungen im Ausland, europaweite Arbeitsmöglichkeiten und direktes Feedback von den Kunden. Im Bereich der Teilzeitbeschäftigung bieten sich für Studenten und andere Nebenjobber weiterhin gute Möglichkeiten. Der Einstieg in den Job ist einfach.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort