Keiner wird zurückgewiesen

WITTLICH. Seit zehn Jahren kümmert sich das Wittlicher Modell für Arbeitslose – kurz Wilma – um Sozialhilfeempfänger und Arbeitslose, und erleichtert ihnen den Wiedereinstieg in Arbeitsalltag. Zeit zum Feiern gab es aber keine. Schuld daran ist Hartz IV: Seit Mai beschäftigt Wilma ständig rund 40 Mitarbeiter, die für einen Euro die Stunde arbeiten.

Vermittelt werden die Mitarbeiter von der Arbeitsgemeinschaft des Kreises Bernkastel-Wittlich, die sich aus Mitarbeitern des Sozialamtes und der Arbeitsagentur zusammensetzt. Vor Ort führen die Verantwortlichen von Wilma dann eine Art Einstellungsgespräch mit den Bewerbern, um herauszufinden, wo ihre Stärken und Schwächen liegen. "Zurückgewiesen wird keiner, wir nehmen jeden. Es sei denn, er ist absolut ungeeignet, und das ist bisher noch nicht vorgekommen", sagt Maria Kremer. Sie ist Sozialpädagogin und Leiterin von Wilma. Das Neueste ist ein Senioren-Service

Hinter dem Modell verbirgt sich eine Art Secondhand-Shop für alles Mögliche. Die Mitarbeiter sammeln alte Möbel, Hausrat, Elektrowerkzeuge und Kleider ein, die teilweise aus Haushaltsauflösungen stammen. Anschließend wird alles aufgearbeitet. Dazu gibt es eine eigene Schreinerei, ein Nähzimmer und einen Wasch- und Bügelservice. Um die Elektrogeräte kümmert sich ein spezieller Mechaniker. Schließlich werden alle reparierten und aufgearbeiteten Sachen in einer großen Halle in der Wittlicher Max-Planck-Straße ausgestellt. Hier kann jeder einkaufen. Seit neustem gehört auch ein Senioren-Service zum Angebot von Wilma. "Es soll eine Bereicherung sein. Wir wollen damit den Sozialstationen keine Konkurrenz machen", sagt Kremer. Die Mitarbeiter sollen vor allem mit den alten Menschen reden, spazieren gehen oder mit ihnen Gesellschaftsspiele machen. Je nach Vorkenntnissen und Fertigkeiten teilt Maria Kremer die Mitarbeiter nach dem Einstel-lungsgespräch in Werkstatt, Abholservice, Nähzimmer oder Seniorenservice ein. Die Arbeitslosen, die teilweise seit mehreren Jahren ohne Job sind, lernen hier noch mal einen geregelten Arbeitsalltag kennen: Die Zusammenarbeit mit Kollegen und auch den Kontakt mit Kunden. "Wir sind nicht geschlossen, wir gehen nach außen. Wilma ist sehr bebriebsnah, fast wie ein Unternehmen." Hinzu kommen verschiedene Schulungsangebote wie zum Beispiel Bewerbungs- oder EDV-Kurse, Verkaufsschulungen oder Vermittlung von Allgemeinwissen. Die Arbeitszeit des Einzelnen beträgt sechs Stunden täglich. "Das ist wie ein Arbeitsverhältnis ohne Vertrag. Wir führen Stunden- und Anwesenheitslisten und geben die Daten an die Arge weiter". Und die zahlt pro Stunde einen Euro, den die Arbeitslosen zu ihrem Arbeitslosengeld hinzu verdienen dürfen. Einer von ihnen ist Gerhard C. Der 32-jährige Verwaltungsangestellte ist mit Unterbrechungen seit zehn Jahren arbeitslos. Er bekommt keine Arbeit, weil er auf einem Ohr gar nichts mehr hört und auf dem anderen mit Hilfe eine Hörgerätes nur noch drei Prozent. Dass er jetzt für einen Euro die Stunde arbeitet, stört ihn nicht. "Ich kann endlich wieder arbeiten, das macht mir Spass und ich hoffe bald Arbeit zu finden". Selbstwertgefühl verbessert sich

Dem 31-jährigen Markus H. dagegen fiel die Arbeit für einen Euro schwer. "Es hat schon Überwindung gekostet. Aber es macht Spass und ist besser, als zu Hause rum zu sitzen." "Es ist schön zu sehen, wie sich das Selbstwertgefühl der Menschen verbessert", sagt Maria Kremer. "Es ist wichtig das Gefühl zu haben: Ich werde gebraucht, ich muss heute ein Möbelstück ausfahren." Aber nicht immer geht es nur darum, das Selbstwertgefühl zu steigern. Kremer erzählt von einem Übersiedler aus Kasachstan. Er war in seiner Heimat Sportlehrer. Diesen Beruf konnte er in Deutschland nicht ausüben und lernte bei Wilma, etwas ganz anderes zu machen. "Es ging darum seine Existenz zu sichern." Der Mann konnte nach wenigen Monaten in einen Produktionsbetrieb vermittelt werden. Leider haben nicht alle solches Glück und nicht immer ist der Umgang mit den Mitarbeitern einfach für Maria Kremer. "Es ist oft sehr anstrengend, aber das ist nun mal mein Beruf."

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