Kindererziehung: Ein Schema F gibt es nicht

REIL. Jeder Mensch ist anders und jedes Kind natürlich auch. Ob sich ein Kind richtig entwickelt, ist daher häufig gar nicht so einfach zu beurteilen. Hilfestellung in solchen Fragen gab es jetzt bei einem Gesprächsabend im Kindergarten Reil.

Es gibt bestimmte Richtwerte, wann ein Kind fehlerfrei sprechen sollte, keine Windel mehr braucht oder sich über eine bestimmte Zeit konzentrieren kann. Liegt das eigene Kind dann nicht im Rahmen dieser Vorgaben, sind die Eltern beunruhigt. Abwarten oder etwas unternehmen, ist dann die Frage. In manchen Punkten konnte Diplom-Heilpädagogin Birgit Martens von der Lebensberatungsstelle in Wittlich Entwarnung geben. So riet sie beispielsweise den Eltern, nicht gleich beunruhigt zu sein, wenn das Kind plötzlich anfange zu stottern. Das könne in manchen Fällen vorübergehend auftreten, wenn die Denkentwicklung plötzlich stark voran komme. "Die Sprache ist zu langsam fürs Denken." Ein solches Entwicklungsstottern könne aber nach vier bis fünf Wochen wieder verschwinden, diese Zeit solle man auf jeden Fall abwarten. Mit einem Schema zeigte Martens den Eltern auf wie eine Verhaltensauffälligkeit sich wieder geben oder aber auch richtig hochschaukeln könne. Als Beispiel nannte sie ein Kind, das nach einer gewissen Zeit, in der es trocken war, plötzlich wieder in die Hose machte. Zum einen sei es die Gesellschaft, die vorgibt, dass ein Kind ab einem bestimmte Alter trocken sein sollte, schlecht sei es auch, wenn die Eltern sehr perfektionistisch seien und das Verhalten nicht dulden. Als dritten Faktor nannte Martens den Auslöser. Sei dieser bekannt, könne man gelassener mit dem Problem umgehen. Zum anderen sei es das Kind selber, das sich unter Druck setzt, weil es "groß" sein möchte. Wenn alle diese Faktoren negativ seien, könnte eine Spirale nach unten entstehen, wenn weniger dieser Faktoren zutreffen, beispielsweise die Eltern das Ganze gelassen sehen, könnte das Problem schon bald von alleine behoben sein. "Eine Entwicklungsstörung kann niemals nur an einer Person oder einer Sache liegen", machte Martens ganz deutlich, es müssten immer verschiedene Faktoren zusammenwirken. Außerdem sei auch die Persönlichkeit eines Kindes entscheidend. Manche Menschen seien schon von Geburt an einfach "dünnhäutiger" als andere und würden deshalb schneller aus der Bahn geworfen. Ob und wann Hilfe gesucht würde, sei allein Sache der Eltern, sagte Martens. "Die Eltern kennen das Kind am allerbesten." Doch auch im Kindergarten könne das Verhalten der Mädchen und Jungen vor allem im Vergleich zu anderen beobachtet werden. Wie das spielerisch geschehen kann, zeigten Kindergartenleiterin Christa Manderscheid (Reil) und Birgit Martens bei einem Rollenspiel am Beispiel Memory. Bei diesem Spiel könnten Sprachfähigkeit und Konzentration beobachtet und gefördert werden, ohne dass dies dem betroffenen oder den anderen Kindern auffalle. Bei aller Gelassenheit, die bei manchen Auffälligkeiten angesagt sind, riet Martens jedoch vorsichtig zu sein mit dem Satz "das wächst sich aus". Manchmal versuche das Kind unbewusst ein Zeichen zu geben und würde dann irgendwann resigniert wieder aufgeben, wenn keiner darauf reagiert. Armin Surkus-Anzenhofer vom Dekanat Traben-Trarbach, dass zu diesem Gesprächsabend eingeladen hatte, wies darauf hin, dass nicht jede Auffälligkeit negativ sei, sondern auch durchaus positiv gewertet werden könne. So könne ein Kind, das nicht gut verlieren kann, auch als ehrgeizig bezeichnet werden.

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