Kinderspaß von 5.30 bis 22.30 Uhr

Wittlich · Die Diskussion ist in vollem Gange: Politiker sprechen darüber, ob es Kindertagesstätten geben soll, die 24 Stunden geöffnet haben. Bislang gibt es in ganz Rheinland-Pfalz nur ein Beispiel, das dieser Idee ganz nahe kommt. Der Kindergarten Vitelliuspark in Wittlich. Und der stößt auf eine große Nachfrage bei den Eltern.

 Konzentrierte Bastler: Jan, Elias und Lucy (von links) basteln Türmchen im Kindergarten Vitelliuspark. TV-Foto: Florian Schlecht

Konzentrierte Bastler: Jan, Elias und Lucy (von links) basteln Türmchen im Kindergarten Vitelliuspark. TV-Foto: Florian Schlecht

Foto: (m_wil )

Wittlich. An diesem Morgen liegt Jan auf einer Couch. Und schnarcht leise vor sich hin. Als er aus dem Schlummer erwacht, guckt er erst verträumt. Dann wird er munter, spielt mit Klötzchen und tobt mit anderen Kindern im Freien. Jan erlebt aber auch die Tage, an denen er erst gegen Nachmittag in den Hort kommt. Wenn es spät wird und dämmert, ziehen sich die Kinder ihre Schlafanzüge an, kuscheln sich auf Matratzen - und lassen sich eine Gute-Nacht-Geschichte erzählen. Erzieherin in dem Evangelischen Kindergarten Vitelliuspark in Wittlich, das weiß Petra Becker, ist man mal halt von morgens früh bis abends spät.
Sie kennt das. Denn die Kindertagesstätte ist von 5.30 bis 22.30 Uhr geöffnet. 17 Stunden lang. Das ist ein Rekord in Rheinland-Pfalz, bestätigt das Familienministerium auf TV-Anfrage. Wo Politiker über eine 24-Stunden-Kita diskutieren, da sind die Wittlicher schon vorgeprescht. Die Eltern in der Stadt nehmen das Angebot an. 60 Jungen und Mädchen besuchen die Kita. Bis Sommer 2016, so sagt Becker, ist der Kindergarten voll belegt. Auf der Anmeldeliste stehen noch 38 Kinder. "Und jeden Tag bekomme ich weitere Anrufe", sagt Becker.
Das ist kein Wunder, findet Hajo Weinmann vom Träger Rheinische Gesellschaft für Innere Mission und Hilfswerk. Geht es nach ihm, passt sich der Kindergarten der Moderne an.
"Viele Familien zieht es nach Wittlich, weil es hier Arbeitsplätze gibt. Einige Eltern müssen aber im Schichtdienst ran." Dazu kommen alleinerziehende Mütter. Weinmann nennt Beispiele, die er im Vitelliuspark gemacht hat: "Einige machen eine Ausbildung zur Altenpflegerin und treten schon im Morgengrauen ihren Dienst an. Andere sitzen bis 21 Uhr an der Kasse im Supermarkt. Für diese Eltern wollen wir die Möglichkeit anbieten, ihre Kinder flexibel bei uns abzugeben."
Eine Mutter, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, ist froh über die Öffnungszeiten. Mit ihrem Mann und ihrer Tochter zog sie aus Thüringen in die Region. Auf Wittlich fiel die Wahl, weil die Kita so lange geöffnet hat. "Ich bin im Einzelhandel tätig und habe häufig Spätdienste. Da wäre es ein Problem, wenn der Kindergarten um 17 Uhr geschlossen ist."
Mit Vorurteilen muss die Kindertagesstätte dennoch leben. Weinmann erläutert, dass eine 17-Stunden-Kita nicht bedeute, dass die Kinder tatsächlich 17 Stunden die Kita besuchen. "Neun Stunden sind das Maximum. Wir sind keine Babysitter für Eltern, die nach der Arbeit ins Kino oder Fitnessstudio wollen. "
Die Erzieherinnen sind dennoch Bezugspersonen - und als solche inzwischen an die Abläufe gewöhnt. Um die Woche vorbereiten zu können, müssen Eltern ihre Dienstpläne vorlegen, sagt Becker. Ob die 17-Stunden-Kita auch mal eine 24-Stunden-Kita wird, weiß sie nicht. "Die ist eher in größeren Städten sinnvoll. Wir leben in einer ländlichen Region. Hier holen noch viele Großeltern die Kinder ab."Meinung

Bitte mehr davon!
Häufig sind wir froh darüber, wenn wir nach dem Feierabend schnell in den Laden springen können, um Lebensmittel zu kaufen. Häufig sind die Menschen, die an der Kasse das Geld in Empfang nehmen, Mütter und Väter. Für sie hat sich die Zeit gewandelt. Sie arbeiten nun häufig bis 22 Uhr. In anderen Berufen verhält sich das ähnlich. Wer in der Pflege tätig ist, muss mal früh morgens und mal spät abends zum Dienst. Alleinerziehende verdienen Geld, um die Existenz zu sichern. Und wer umzieht, hat nicht die Oma und den Opa in der Nähe, die sich um das Kind kümmern. Zumal die bald bis 67 arbeiten. Der Kindergarten Vitelliuspark ist ein Beispiel dafür, wie man auf die Entwicklungen reagiert. Mit einem Konzept, das Familie und Beruf vereint. Mein Wunsch: Bitte mehr davon! f.schlecht@volksfreund.de Der Ansatz einer 24 Stunden geöffneten Kindertagesstätte ist gut. Jedoch ist die Idee einer flexiblen Betreuung nicht ausgereift. Denn was machen alleinerziehende Väter und Mütter, wenn ihr Kind die Schule und nicht mehr die Kita besucht? Den Job wechseln? Die Kinder nachts oder frühmorgens alleine lassen? Wenn es Kitas mit flexiblen Öffnungszeiten gibt, müssen auch die Betreuungszeiten für die Kinder im Schulalter angepasst werden. Denn sonst wird das Betreuungsproblem nicht gelöst, sondern nur um ein paar Jahre nach hinten verschoben. Deshalb darf nicht nur ein Teil der Strukturen aufgeweicht werden, sondern das ganze System benötigt einer Überarbeitung. Erst dann machen 24-Stunden-Kitas wirklich Sinn. p.willems@volksfreund.de

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