Kita-Neubau in Wittlich: Architekt erhebt Vorwürfe gegen Stadt - Diskussion um Brandschutzexperten

Wittlich · 3,81 Millionen Euro haben die Sanierung und der Anbau der Kindertagesstätte Jahnplatz gekostet. Damit waren die Arbeiten teurer als geplant - und später fertig. Zum Ergebnis sagt Bürgermeister Joachim Rodenkirch: "Die Kita ist top!" Doch hinter den Kulissen brodelt es. Der zuständige Architekt übt Kritik, die Stadt will notfalls durch einen Dritten Verantwortlichkeiten prüfen lassen.

 Der Kita-Anbau steht, doch die Baustelle am Jahnplatz hat wohl noch ein Nachspiel. Die Stadt will gegebenenfalls durch einen Gutachter prüfen lassen, wer die verspätete Fertigstellung und die Kostensteigerung zu verantworten hat. TV-Foto: Klaus Kimmling

Der Kita-Anbau steht, doch die Baustelle am Jahnplatz hat wohl noch ein Nachspiel. Die Stadt will gegebenenfalls durch einen Gutachter prüfen lassen, wer die verspätete Fertigstellung und die Kostensteigerung zu verantworten hat. TV-Foto: Klaus Kimmling

Wittlich. Nach und nach werden die Kisten ausgeräumt, finden Bücher und Spielsachen ihren Platz. Lange haben die Erzieher und Kinder der Kindertagesstätte Jahnplatz darauf gewartet, ihr Domizil beziehen zu können (siehe Extra). Ein Neubau in Holzbauweise, der sich laut Wittlichs Bürgermeister Joachim Rodenkirch sehen lassen kann: "Die Kita ist top!", sagt er."Nicht optimalst gelaufen"


Doch so "top" das Ergebnis auch sein mag, der Weg dahin war es nicht. "Es ist nicht unbedingt die optimalst gelaufene Baustelle", räumt der Pressesprecher der Stadt, Jan Mußweiler, ein. Da wären zum einen die Kosten: Aus den veranschlagten 3,25 Millionen Euro wurden 3,81 Millionen Euro (siehe Hintergrund). Und da wäre zum anderen der nicht eingehaltene Zeitplan: Ursprünglich sollten die Arbeiten zum Sommer abgeschlossen sein. Sie dauerten bis in den Dezember.
Fragt man die Stadt nach dem Grund, lautet die Antwort von Pressesprecher Mußweiler: "Aufgrund des hohen Vorfertigungsgrades der verwendeten Holzfertigelemente und der Vielzahl der aufeinander abzustimmenden Gewerke ist ein hoher Koordinationsaufwand erforderlich, auf den die zeitlichen Verzögerungen im Wesentlichen zurückzuführen sind." Fragt man den zuständigen Architekten Marco Hoffmann, klingt die Antwort anders: "Der Bauablauf wurde erheblich dadurch behindert, dass nicht rechtzeitig ein externer Brandschutzplaner beauftragt wurde." Sein Büro mit Sitz in Wittlich habe einen solchen Fachmann bereits vor mehr als zwei Jahren, während der Planung des Baus, vorgeschlagen: "Wir haben hier ein öffentliches Objekt mit vielen Kindern, wir bauen in Holzbauweise, also mit brennbarem Material - da ist es Usus, einen Brandschutzplaner von Anfang an hinzuzuziehen."
Die Stadt als Bauherr jedoch war anderer Auffassung. "Die Planung wurde im Vorfeld mit der Brandschutzdienststelle der Kreisverwaltung abgestimmt", betont Mußweiler. Die verwendeten Produkte seien bauaufsichtlich und brandschutztechnisch geprüft und zertifiziert. Und so wurde am Jahnplatz gebaut, ohne dass ein Brandschutzplaner die Arbeiten begleitete. Bis zum Frühjahr. Warum dann doch noch ein Experte hinzugezogen wurde? Auch hier gehen die Versionen auseinander. "In die ursprünglich vorgesehene reine Holzkonstruktion mussten aus statischen Gründen Stahlbauteile integriert werden", sagt der Stadt-Pressesprecher, "hierdurch wurde aus einer reinen Holzkonstruktion eine Mischkonstruktion aus Holz und Stahl, die aber andere brandschutztechnische Anforderungen erfüllen muss." Architekt Hoffmann dagegen berichtet, er habe zu diesem Zeitpunkt abermals bezüglich Brandschutz nachgehakt und die Beteiligung eines Brandschutzexperten gefordert: "Ich habe gesagt, bevor tragende Bauteile verkleidet werden, ist jetzt die letzte Möglichkeit, einen Brandschutzexperten draufschauen zu lassen." Und dieser fand dann noch Einiges, was im Sinne des Brandschutzes verbessert werden musste und die Fertigstellung des Neubaus verzögerte sowie verteuerte.
Die Stadt habe sich keinen Gefallen damit getan, so lange mit der Beauftragung eines Fachmanns zu warten, sagt Hoffmann: "Das hätte in der Vorplanung maximal zwei Monate mehr Zeit in Anspruch genommen, wenn rechtzeitig ein Brandschutzplaner mit im Boot gewesen wäre. Die Kita wäre insgesamt sicher vier Monate früher fertigzustellen gewesen."40 000 Euro Honorar noch offen


"Hinsichtlich der Bewertung, wer im Einzelnen für die Probleme bei der Baumaßnahme verantwortlich ist, haben wir uns bewusst zurückgehalten und tun dies auch jetzt", hält sich Bürgermeister Rodenkirch dagegen bedeckt. Die Frage der Verantwortlichkeiten müsse gegebenenfalls durch unabhängige Dritte geklärt werden. "Ich will nichts vertuschen, sondern sauber aufarbeiten", betont er.
Er sei stolz auf das anspruchsvolle Projekt und die gelungene Gestaltung, sagt Architekt Hoffmann. Dennoch fürchtet er um den Ruf seines Büros mit sechs Mitarbeitern. Seit einem halben Jahr befinde sich die Stadt mit der Zahlung von mehr als 40 000 Euro Honorar im Rückstand. Nichts Ungewöhnliches, solange die Leistung nicht voll erbracht sei, erklärt Bürgermeister Rodenkirch. "Wir müssen Dinge ausbaden, die wir nicht verschuldet haben", sagt dagegen Hoffmann. Ein mehrseitiger Brief, in dem er im Sommer dem Bürgermeister seine Sicht über die Baumaßnahme geschildert hatte, blieb unbeantwortet. Hoffmann bat mehrfach, auch telefonisch, um einen Gesprächstermin beim Stadt-Chef. Dieser sah keinen Bedarf. "Es haben auf allen möglichen Ebenen Gespräche stattgefunden", sagt Rodenkirch, "der gesamte Sachverstand der Stadtverwaltung hat kommuniziert." Vor ein paar Tagen erhielt Marco Hoffmann dann doch noch eine Antwort: Im Januar darf er endlich auch mit Wittlichs Bürgermeister direkt kommunizieren.Meinung

Es geht um Leib und Leben
Um es gleich vorwegzusagen: Rechtlich gesehen hat die Stadt als Bauherr nichts falsch gemacht, als sie bei der Planung und den Arbeiten am Kita-Neubau zunächst auf einen Brandschutzexperten verzichtet hat. Im Gegensatz etwa zur Veranstaltungshalle Eventum, die nach dem Gesetz als qualifizierte Versammlungsstätte eingestuft ist, bei deren Errichtung ein solcher Fachmann von Anfang an zwingend vorgeschrieben ist, gilt dies beim Bau einer Kita nicht. Sinnvoll ist diese Unterscheidung allerdings nicht. Und so sieht die Sache moralisch betrachtet auch anders aus. In einer Kita halten sich naturgemäß Dutzende Kinder über mehrere Stunden auf, schlafen und essen dort. Darunter sind Kleinkinder, die noch gar nicht laufen können und in einem Brandfall auf Hilfe angewiesen wären. Kommt dann wie bei dem Projekt am Jahnplatz noch hinzu, dass in dem Gebäude überwiegend Holz, also leicht brennbares Material verarbeitet wird, liegt der Schluss nahe, dass gerade dem Brandschutz allerhöchste Aufmerksamkeit gewidmet wird. Da ist es besser, lieber einen Experten zu viel, als einen zu wenig draufschauen zu lassen. Denn es geht eben nicht nur um Ästhetik, sondern um Leib und Leben. n.ebner@volksfreund.deExtra

Um den Rechtsanspruch der Eltern auf einen Platz auch für Kinder unter drei Jahren zu erfüllen, wurde das Altgebäude der Kindertagesstätte Jahnplatz teilsaniert und um einen Anbau erweitert: Die Kita ist von 700 auf rund 1500 Quadratmeter gewachsen, bietet nach der Fertigstellung Platz für 155 Kinder und verfügt nun über insgesamt acht Gruppen - vier im Altbau, ebenso viele im Neubau. Während der Bauarbeiten waren seit dem Sommer 2013 vier Kita-Gruppen mit bis zu 100 Kindern in der ehemaligen Dualen Oberschule (Dos) in Wengerohr untergebracht. nebExtra

3,81 Millionen Euro sind im Nachtragshaushalt der Stadt Wittlich für die Sanierung und den Neubau der Kita Jahnplatz veranschlagt. Die Mehrkosten sind laut Stadt-Pressesprecher Jan Mußweiler auf "konstruktive Veränderungen während der Bauphase zurückzuführen, die zu geänderten Brandschutzanforderungen geführt haben". Die Stadt erhält für die Gesamtmaßnahme Zuschüsse in Höhe von 1.208.947,76 Euro. Der Landkreis Bernkastel-Wittlich bezuschusst die Arbeiten mit 414.146,42 Euro, das Land Rheinland-Pfalz mit 404.000 Euro und die Bundesrepublik Deutschland mit 390.801,34 Euro. Die übrigen rund 2,61 Millionen Euro müssen von der Stadt getragen werden. neb

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