Kleine Orte werden noch kleiner

Neumagen-Dhron · Die Verbandsgemeinde (VG) Neumagen-Dhron hat keine Zukunft - politisch gesehen. Am 1. Januar 2012 wird die aus vier Ortsgemeinden bestehende Verwaltungseinheit zerschlagen. Die VG gehört mit 5696 Einwohnern zu den kleinsten im Land. Vor zehn Jahren lebten dort noch 6035 Menschen. Im Jahr 2020, so die Prognose, werden es weniger als 5300 sein.

 Das Foto zeigt drei der vier Orte der VG Neumagen-Dhron: Minheim, Piesport und Neumagen-Dhron. Foto: Verkehrsamt Neumagen-Dhron

Das Foto zeigt drei der vier Orte der VG Neumagen-Dhron: Minheim, Piesport und Neumagen-Dhron. Foto: Verkehrsamt Neumagen-Dhron

Neumagen-Dhron. Trittenheim, Piesport, Minheim, Neumagen-Dhron - vier stolze Weinbaugemeinden mit einer großen Geschichte. Ihnen geht es nicht anders als den meisten Moselgemeinden: Die Bevölkerungszahlen gehen stetig zurück. Besonders stark ist der Rückgang in Minheim. Der Ort hat in den vergangenen zehn Jahren (Zeitraum 1999 bis 2009) 9,1 Prozent seiner Bevölkerung verloren. Zuletzt wurden dort 481 Einwohner gezählt (Stand 31. Dezember 2009, Angaben Statistisches Landesamt), 1999 waren es noch 529. Schaut man noch weiter zurück, wird die Entwicklung noch dramatischer. Bis 1970 lebten in Minheim stets über 600 Menschen. Ähnlich ist die Situation in den anderen drei Orten der Verbandsgemeinde. Neumagen-Dhron verlor im gleichen Zeitraum 189 Bewohner (minus 7,7 Prozent), Piesport 65 (minus 3,8 Prozent) und Trittenheim 37 (minus 3,3 Prozent). Die Ortsgemeinde Neumagen-Dhron hatte 1966 fast 3000 Einwohner. Hält die derzeitige Entwicklung an, werden in der Gemeinde bald weniger als 2000 Menschen leben.
Eigentümer nicht verkaufsbereit


Neumagen-Dhron ist die kleinste Verbandsgemeinde im Kreis Bernkastel-Wittlich. Und sie zeigt auch den stärksten Bevölkerungsschwund auf. Gegenüber 2006 wird im Jahr 2020 die (dann nicht mehr bestehende) VG Neumagen-Dhron laut Prognose zehn Prozent ihrer Bevölkerung verlieren (siehe Tabelle). Mit minus acht Prozent folgt die ebenfalls relativ kleine VG Kröv-Bausendorf, die sich aber gegen eine Fusion mit einer benachbarten VG wehrt.
Der gesamte Kreis Bernkastel-Wittlich verliert bis 2020 hingegen "nur" drei Prozent. Wachsen wird allein die Stadt Wittlich (der TV berichtete).
Für Bürgermeisterin Christiane Horsch hat die negative Bevölkerungsentwicklung in ihrer VG mehrere Gründe. "Kleine Einheiten verlieren stärker als große", sagt sie. Die Ursachen: In kleinen Verwaltungseinheiten mit kleinen Orten sei die Infrastruktur, beispielsweise die ärztliche Versorgung oder das schulische Angebot, weniger gut als in größeren Einheiten. In der VG gibt es zurzeit zwei Allgemeinmediziner, zwei Zahnärzte und eine Apotheke. Außerdem, so Horsch: Viele Menschen würden im Alter in Mittelzentren ziehen, wo sie ohne Fahrzeug auskommen und die Versorgung besser sei.
Und die jungen Leute? Diese wollten oft - auch wegen der hohen Spritpreise - möglichst nahe an ihrem Arbeitsplatz leben. In den kleinen Moselorten gebe es aber wegen fehlender Industriebetriebe und Behörden kaum Jobs.
In fast allen Moselorten gibt es zwar in den Ortskernen zahlreiche leerstehende Häuser. Eine Sanierung inklusive einer energetischen Modernisierung sei aber oftmals teurer als ein Neubau. Viele Moselorte verfügen über genügend freie Grundstücke in den Ortslagen. Die Eigentümer seien aber nicht verkaufsbereit - vielleicht weil sie das Land für ihre Enkel aufsparen wollten oder sie hohe Preise verlangten. Allein Piesport, so Horsch, verfüge über 150 Grundstücke in der Ortslage. Manche Gemeinden versuchten mit der Ausweisung von Neubaugebieten junge Familien anzulocken. Im engen Moseltal sei das, unter anderem wegen der Landschaftsschutzverordnung, aber nur bedingt möglich. In der VG gibt es zurzeit nur im Ort Neumagen-Dhron ein Neubaugebiet mit 15 Bauplätzen. Ein weiteres Problem: Viele Dörfer auf dem Land sind schlecht an den öffentlichen Personennahverkehr angebunden. Horsch: "Das alles zusammengenommen sind sehr ungünstige Rahmenbedingungen." Deshalb sei eine Revitalisierung der alten Ortskerne eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben.
Bürgerengagement ist gefragt


Raumplaner Karl Ziegler von der Uni Kaiserslautern sagt dazu: "Trotz Handelns wird in manchen Gemeinden ein Ausbluten der Ortskerne nicht zu vermeiden sein. Das Engagement der Menschen im Ort wird dabei eine große Rolle spielen. Ortsbürgermeister sollten mit den Leuten einen offenen Dialog führen, wie in Zukunft in ihrer Gemeinde sozialverträglich und sozialökonomisch gewohnt werden kann und was jeder in Form von Bürgerengagement beitragen kann."

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