Klettern unter Hochspannung
Morbach · Einsatz in 50 Metern Höhe: Mitarbeiter einer Spezialfirma errichten bei Morbach fünf neue Strommasten - und bauen 15 alte Masten ab. Der Grund: das neue Umspannwerk bei Rapperath, das im Sommer in Betrieb geht.
Diese Männer müssen schwindelfrei sein: In 30 Meter Höhe hangeln sie sich entlang von Eisenträgern, die nur wenige Zentimeter breit sind. Gesichert sind sie lediglich durch ein dünnes Seil. Die acht Kletterer sind Spezialisten für den Auf- und Abbau von Freileitungsmasten. Sie arbeiten bei einer Spezialfirma aus Weinheim bei Heidelberg. Ihr Job derzeit: der Aufbau von sechs 48 Meter hohen Masten in Morbach.
"Die Leute haben eine spezielle Kletterausbildung", sagt Sven Rudolph. Der Bauleiter beobachtet die Arbeiten vom Rand der Baustelle bei den Morbacher Gemeindewerken im Industriegelände auf Hambuch. "Wir bauen jetzt den letzten Mast."
Fünf Masten hat Rudolph mit seinen Männern schon aufgebaut. In Segmenten werden die mehr als 40 Tonnen schweren stählernen Ungetüme angeliefert. Ein Baukran hebt die Einzelteile dann auf die Baustelle und in die Betonfundamente. Die Facharbeiter verschrauben die Einzelteile anschließend mit 30 Zentimeter langen Schrauben - und entsprechend großen Muttern. "Im Prinzip ist das wie Lego", sagt Rudolph. Geschweißt würde bei den modernen Freileitungsmasten nichts mehr.Neues Umspannwerk
Der Grund für den "Umbau": Die Firma Westnetz, das zum Energiekonzern RWE gehört, hat auf der Anhöhe bei Rapperath ein neues Umspannwerk gebaut (siehe Extra). Es soll das alte Morbacher Werk in der Erbachstraße ablösen. "Das neue hat viel größere Kapazitäten", erklärt Rudolph. Das Starkstromnetz in der gesamten Region würde neu verschaltet. Grund dafür sei die stark gestiegene Menge an regenerativer Energie. "Auch der Sohrener Windpark wird hier angebunden."
Seit März sind die Arbeiter in und um Morbach am Werk. Eine besondere Herausforderung ist für sie das Abspannen der eigentlichen Leitungen zwischen den Masten. Denn die zentimeterdicken Stahlseile, durch die normalerweise der Starkstrom fließt, führen auf ihrem Weg von Morbach zum neuen Umspannwerk über zwei Bundesstraßen und eine Landstraße. Entlang der B 327, der B 269 und der L 160 haben Rudolphs Männer deshalb im Vorfeld riesige Gerüste aufgebaut (der TV berichtete). Auf die acht Meter hohen Eisenkonstruktionen konnten sie die demontierten Leitungen legen, ohne die Straße sperren zu müssen.
Die neuen Leitungen sollen im Juni in Betrieb gehen. Mitte Juni sollen auch die Gerüste an den Landstraßen wieder abgebaut werden. Dann wird auch der Verkehr dort wieder für zwei Wochen per Ampel geregelt. In den Umbau inklusive des neuen Umspannwerks hat RWE 7,2 Millionen Euro investiert. Bis zum Ende des Jahres soll die alte Anlage in Morbach abgebaut werden.Extra
Man sollte auf keinen Fall seinen Finger in eine Steckdose stecken - denn der Strom, der da rauskommt, hat eine Spannung von 220 Volt. Das ist ganz schön viel und kann für Menschen sogar tödlich sein. Die Spannung, mit der der Strom von Stadt zu Stadt und Dorf zu Dorf reist, ist aber noch viel größer. Eine Spannung von 110 000 Volt steckt in den Leitungen, die in Morbach gebaut werden. Und es gibt sogar Hochspannungsleitungen mit Spannungen von bis zu 380 000 Volt. Von den Windkraftanlagen kommen 20 000 Volt. Ein Umspannwerk "vermischt" die verschiedenen Stromspannungen und schickt sie weiter auf die Reise. Bis der Strom irgendwann bei uns aus der Steckdose kommt.sen
