Klima von den Eifel-Augen ablesen

MANDERSCHEID. Erstmals haben Wissenschaftler anhand von Daten und Modellrechnungen versucht, das Klima der vergangenen 11 600 Jahre zu rekonstruieren. Noch bis morgen tagt ein Teil dieser Forscher im Maarmuseum.

Steigen wir ein in die Zeitmaschine am Ufer des Holzmaars und beamen uns 11 600 Jahre zurück. Was sehen wir? Wie heute auch liegt der Maarsee still da. Ein Mammut trinkt am Ufer. Ein paar Bäume ragen aus den Zwergsträuchern der Umgebung empor. Es ist kalt, kälter als jetzt, der Homo sapiens tut gut daran, sich in dicke Felle einzumummeln.Zusammenarbeit von 80 Wissenschaftlern

So könnte es damals, am Ende der letzten Eiszeit, am Holzmaar ausgesehen haben. So weit in der Zeitrechnung zurück gehen auch die etwa 30 Wissenschaftler aus ganz Deutschland, die sich in diesen Tagen im Manderscheider Maarmuseum zu einer Tagung treffen. Ihr Projekt:"Klima in historischen Zeiten" (KIHZ). Fünf Jahre lang haben mehr als 80 Wissenschaftler von 17 Universitäten und anderen Einrichtungen geforscht, um das Klima der vergangenen 11 600 Jahre zu rekonstruieren. Geowissenschaftler lieferten die Daten, Mathematiker und Physiker erstellten Modelle. Die Ergebnisse werden nun in Manderscheid diskutiert. Dass die Wissenschaftler sich ausgerechnet dort treffen, hat gute Gründe. Jörg Negendank, Koordinator des KIHZ-Projekts, einst Vizepräsident der Uni Trier und nun als emeritierter Professor immer noch am Geoforschungszentrum Potsdam tätig, erklärt: "Von der Eifel ausgehend hat man es als Methode entwickelt, die Seesedimente als Klima-Archive zu nutzen. Diese Methode hat heute weltweite Bedeutung." Der Eifel kann das Klima sozusagen von den Augen, sprich den Maaren, abgelesen werden. Die Maare entstanden vor Jahrmillionen, als Grundwasser und flüssiges Gestein zusammentrafen. Es kam zur Explosion, die die trichterförmigen Maare in die Landschaft riss. In der Regel lagen sie unter Grundwasserniveau und füllten sich mit Wasser. Dank dieses Wassers ohne Zu- und Abfluss lagerte sich alles am Boden der Maare ab - wie es dort hinein sank, tote Tiere, Algen und auch Pflanzenpollen. So entstand jedes Jahr eine neue Schicht, die so genannte Jahreslage, die gerade mal bis zu einem Millimeter dick ist. Da die Wissenschaftler in etwa wissen, welches Lebewesen unter welchen Bedingungen lebte, können sie durch die Untersuchung der Maarablagerungen auf das Klima schließen. Negendank: "Für das Projekt wurden Daten auch aus dem Eis der Pole, aus Meeresablagerungen, Korallen und Baumringen gewonnen." Mit Hilfe der Daten soll nicht nur das Klima der Vergangenheit erforscht werden. Die Wissenschaftler versuchen, die Ursache der Klimaveränderungen sowie die damit verbundenen Umweltveränderungen zu verstehen. Es geht auch darum, den Anteil des Menschen an den Klimaveränderungen herauszufinden und Klimaszenarien für die Zukunft zu entwerfen. VG-Bürgermeister Wolfgang Schmitz, der die Wissenschaftler gestern zum Beginn der Tagung begrüßte, sagte: "Ich bin froh, dass das Maarmuseum als Tagungsort ausgewählt wurde." Er erinnerte daran, dass Negendank am Aufbau des heute mit 20 000 jährlichen Besuchern sehr erfolgreichen Museums beteiligt war. Im Februar werden die Ergebnisse des KIHZ-Projekts in Buchform (auf Englisch) veröffentlicht. Wer vorher mehr wissen will, hat dazu am heutigen Dienstagabend die Gelegenheit. Ulrike Kienel vom Geoforschungszentrum Potsdam wird um 20 Uhr im Manderscheider Kurhaus referieren zum Thema: "Den Kalender der Seegeschichte unter das Mikroskop genommen: Neueste Untersuchungsergebnisse aus dem Holzmaar (Vulkaneifel)".

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