Knie nach außen und trotzdem lächeln

ZELL/ALF. Neun Jahre ist Laura Steffens aus Alf erst, aber schon eine kleine Berühmtheit. Bei ihrem ersten Bühnenauftritt in der Aufführung ihrer Ballettschule in der Zeller Stadthalle begeisterte sie das Publikum mit ihrem Talent. Zusammen mit Tanzpädagogin Isa Keil und ihrer Gruppe trainiert Laura regelmäßig, denn eine Ballettmeisterin fällt nicht vom Himmel.

Ausgelassen wie junge Fohlen springen die kleinen Mädchen durch die Halle, rempeln sich an und kichern albern. Ganz so, wie es sich für Neun- bis Elfjährige gehört. Ein paar Haarsträhnen rutschen aus dem sorgfältig zusammengesteckten Dutt, und der ein oder andere vorwitzige Unterhemdchenträger rutscht in den Ausschnitt des Trikots. Doch dann erklingt die Stimme der Ballettlehrerin: "An die Stange bitte und Position eins einnehmen." Und im Nu verwandeln sich übermütige Mädchen in hochkonzentrierte, kleine Ballerinas.Nur mit Disziplin zur Ballerina

"Ja, ich bin schon ein bisschen streng", erklärt Tanzpädagogin Isa Keil, die seit 2003 in Zell-Barl eine Ballett-, Tanz- und Bewegungsschule betreibt. Denn nur mit Disziplin und Konzentration kann aus einem ungelenken kleinen Mädel eine Ballerina werden. Natürlich möchte Isa Keil nicht jede Schülerin in einen "Schwan" verwandeln, der im wippenden Tutu auf Zehenspitzen über die Bühne trippelt. "Kleine Kinder auf der Spitze tanzen zu lassen, halte ich sowieso für unverantwortlich", stellt sie klar. Aber wenn sich ein Mädchen oder auch - was seltener vorkommt - ein Junge für das klassische Ballett entscheidet, müssen sie sich schon an die Anweisungen halten. Dennoch stellt Isa Keil die Freude an der Bewegung und deren Koordination in Verbindung mit der Musik in den Mittelpunkt ihres Unterrichts. Laura und ihre Mittänzerinnen haben mittlerweile an der Trainingsstange die erste von den insgesamt sechs Positionen der klassischen Balletttechnik eingenommen: die Füße stehen nach außen und bilden Ferse an Ferse eine gerade Linie. Zum Takt der Klaviermusik vom Band und den Kommandos der Lehrerin üben sie die ebenfalls traditionell vorgeschriebenen Schritte.Keine Chance für Entenpo und Hohlkreuz

Da die Geschichte des Balletts in Frankreich begann, sind noch heute die meisten Begriffe der Ballettsprache französischen oder italienischen Ursprungs. "Plié und Grand plié, Jeté, Glissé oder Relevé", deklamiert Isa Keil, und die Mädels wissen genau, was sie zu tun haben. Lauras Wangen haben sich mittlerweile rosig gefärbt, und deutlich ist ihrem konzentrierten Gesichtchen die Anstrengung anzumerken. Aber ihre leuchtenden Augen verraten, dass sie mit Begeisterung bei der Sache ist. Diese Begeisterung sieht man im Übrigen allen kleinen Tänzerinnen beim systematischen Training an der Stange an. "Ich möchte keinen Entenpo und kein Hohlkreuz sehen; die Kniescheiben nach außen, nicht die Schultern hoch ziehen, sondern einen langen Hals machen", korrigert die Tanzpädagogin. Und beim schweißtreibenden "Sauté" möchte sie, "dass ihr eure Muskeln spürt", und verlangt obendrein: "Das Lächeln nicht vergessen." Ganz schön viel auf einmal, was die Kinder da leisten müssen. Ist das Üben an der Stange nicht langweilig? Laura lächelt nachsichtig über diese Frage: "Na, wie sollen wir es denn sonst lernen?" Vor einem Jahr kam die Neunjährige an der Hand ihrer Mama in die erste Ballettstunde. "Zuerst wollte ich nur wegen der schönen Kleider tanzen", bekennt sie etwas verschämt. "Aber jetzt tanze ich, weil es mir Spaß macht." Durch ihren zarten Körperbau und eine außergewöhnliche Beweglichkeit ist Laura anderen Tanzschülerinnen gegenüber im Vorteil. Isa Keil: "Ich zum Beispiel muss die Beweglichkeit stets aufs Neue trainieren. Laura kann viele Übungen von Natur aus gut." Die Grundschülerin aus Alf kommt einmal wöchentlich zum Ballett-Training. Zu Hause übt sie auch, aber nur, wenn sie Lust dazu hat, erzählt sie. Denn trotz ihres besonderen Talents träumt Laura nicht von einer Karriere als Primaballerina - obwohl: "Wenn ich so tanzen könnte wie die Anna in dem Film, das wäre schon klasse." Ja, das möchten sie alle, die kleinen Ballerinas von Zell. Doch nach der Stunde werden sie wieder zu ganz normalen kleinen Mädchen, lösen die strengen Haarknoten, tauschen die weißen Tanztrikots und feinen Strumpfhosen gegen Jeans und Tennissocken und trollen sich munter plappernd aus dem Tanzsaal. Doch in einer Woche sind sie wieder da. Mit leuchtenden Augen und voll konzentriert hören sie auf die Anweisungen der Lehrerin - und tauchen ab in die ganz besondere Welt des klassischen Balletts.

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